Sonntag, 5. Oktober 2014

"Produire le commun" 3 Künstler der Off-Biennale Dak'Art

Gemeinsamkeit schaffen: Unter diesem Motto stellte sich die 11. Biennale in Dakar. Darunter verstand sie nicht nur die Gemeinsamkeit zwischen in Afrika wie in Europa und den USA lebenden Künstlern, sondern bezog auch immer schon die Künstler mit ein, die nie in Afrika gelebt haben, sondern als 2. Generation von Migranten im Westen sozialisiert und verwurzelt sind. In dieser Biennale wurden auch nicht-afrikanische Künstler eingeladen. Aber vor allem bezieht sie auch diejenigen mit ein, die sich in der Off-Biennale präsentieren. Sie werden dabei ebenso medial beworben wie die internationale Crew der In-Biennale. Gemeinschaft oder wie es hier heißen würde 'Inklusion', was hier so mühsam erlernt werden muss, da uns der Solidaritätsgedanke irgendwie abhanden gekommen ist - das ist hier auch in der Kunstszene gelebte Realität.

Peterson Kamwathi (3)


Peterson Kamwathi: ohne Titel (Videostill)
Peterson Kamwathi (Kenia, geb.1980) stellte bei der Off-Biennale von Saint Louis, einem Ableger der Dak'Art, einen kurzen Animationsfilm und serielle Scherenschnitte vor. Mit dem romantischen Titel "Le Fleuve en couleurs" (Fluss in Farben), wie sich die Off-Binnale hier nannte und zeitgleich zur Biennale von Dakar lief, haben seine Arbeiten nichts zu tun.

In den großzügigen Räumen der Halle des Comptoir du fleuve, direkt am Senegalfluss gelegen, sind seine Arbeiten sozialer und politischer Art - im Kontrast zu allen anderen Werken der über 100 Künstler, die an 36 weiteren Orten von Saint Louis viel Gefälliges ausstellten.
Seine ausgeschnittenen Figurenkonstellationen - teils einzeln, teils in Zweier- und Dreiergruppen - wirken wie Wartende an einer Bushaltestelle. Ihre Posen sind absichtlos und dem Alltag abgelauscht. Auf der Webseite von ARTLabAfrica wird seine künstlerische Methode wie folgt beschrieben: 
"His work... is informed by his obsession with the psychology of everyday human action and rituals: the anatomy of queues, weddings and masquerades amongst others."
Peterson Kamwathi: ohne Titel (Scherenschnitte)
Aus diesem Figurenrepertoire scheint auch sein kurzer Film gestaltet, der unter hinterlegtem Link ganz und in hoher Qualität zu sehen ist. Peterson Kamwathi dazu:
"...peace is a state whose identity and form is relative and will vary according to the cultural, political, religious, economic and/or intellectual standpoint of an individual or group. In this animation I attempt to illustrate the relativity and possible duality of contexts for peace, where the individual has to negotiate with the communal. The setting for both scenes is a street where a person tries to exist in his space notwithstanding the environment. The individual can be anyone in the visually chaotic street."
Man kann sich unschwer vorstellen, wie die Unruhen von 2007/2008 zu den Präsidentschaftswahlen in Kenia und einem instrumentalisierten Mob, der sich ethnischen Gruppen entlang aufs Gewalttätigste ausbreitete und zu geschätzten 800 Todesopfern führte, auf einen jungen Künstler wirkten, der in seiner Kunst von sozialen und politischen Themen bewegt ist.

Polizei hält die Opposition von Kundgebungen im Uhuru Park ab (16. Januar 2008) Foto: "GSU - Uhuru Park" von DEMOSH, Wikimedia Commons
Interessant ist der minimalistische Einsatz, der seine Figuren wie seinen Film kennzeichnet. Die Abstraktion, die er dafür gefunden hat, macht seine Werke in hohem Maße gültig auch für andere Zusammenhänge. Vor allem in Verbindung mit dem Soundtrack des Films - einer Art anschwellendem Rauschen, das sowohl technisch wie auch durch zunehmendes Stimmengewirr menschlich wirkt - suggeriert er das gewaltsame Aufeinandertreffen von Demonstranten und Staatsgewalt und  könnte ebenso an die Erschütterungen der arabischen Revolutionen anknüpfen. Es ist, wie wenn man schemenhaft in der Ferne eine Menschenansammlung sich zusammenbrauen sieht und nur undeutlich die Stimmen und Geräusche dazu hört, die sich langsam auf einen zubewegen.

Peterson Kamwathi: ohne Titel (Videostill)
Politische Kunst ästhetisiert das Dargestellte zwangsläufig, was oft zur Verharmlosung führt. Selten wird dafür ein guter Kompromiss gefunden, vor allem dann nicht, wenn es sich mit persönlichem Betroffenheitskult vermischt: Der Künstler als Opfer seiner Sensibilität, die ihn zu seinem Schaffen drängt - eine Haltung, die nach dem vermeintlichen Tod des Geniekults immer noch einige von dessen Zügen trägt. Das ist erfreulicherweise bei Kamwathi nicht der Fall oder wie Karen Dabrowska treffend  in ihrer Besprechung zu dem Künstler schreibt:
"The 30-year-old artist talks with the wisdom of a man twice his age..." 

Alle Fotos aus der Ausstellung von Ina Zeuch



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