Achtung: schockierendes Foto zur Hungernot in Indien von 1876 - 1879 im Verlauf des Textes
|
Bengal Art School / Anonym: ohne Titel, spätes 19.Jhd |
Auf drei Etagen zeigt die
Delhi Art Gallery noch bis zum 31. März eine Ausstellung zur Geschichte der indischen Kunst des 19. und 20. Jahrhundert, die den Einfluss des Kolonialismus deutlich machen. Zu vielfältig und umfangreich ist diese Schau, um sie - zumal als Kulturfremde - ernsthaft detailliert besprechen zu können. Aber auf drei Aspekte möchte ich hier eingehen, die mir besonders aufgefallen sind.
|
Karte des British Empire von 1886 |
Bereits die
British East India Company hat Einfluss auf das Kunstschaffen des Subkontinents genommen, bevor dieser endgültig vom
British Empire kolonialisiert wurde. So förderte sie die Kunstproduktion der
Bengal Art School mit ihren Motiven von Kali und anderen religiösen Sujets. Ähnlich wie der Nationalsozialismus eine Kunst hervorgebracht hat, die ihrer Herrschaft genehm war und außerdem zu Propagandazwecken benutzt werden konnte, so hat auch die Ostindische Handelsgesellschaft eine Kunst für ihre Zwecke befördert und beauftragt, die ihrem Bild von Indien entsprach und außerdem etwaige rebellische Ansätze gegenüber ihrer Ausbeutung zu kanalisieren verstand. Was konnte da besser dienen als die Hindu-Religion und die Wiederbelebung stilistischer Mittel der
Miniaturmalerei des 17.Jahrhunderts, wie sie unter einer früheren Kolonialisierung, der Moghulherrschaft bereits zur Darstellung höfischen Lebens entwickelt wurde.
|
Bengal Art School / Anonym: ohne Titel, spätes 19.Jhd | |
|
Der zweite Aspekt: Die bengalische Hungerkatastrophe von 1943-45 - eine der vielen, durch den Imperialismus begründeten Katastrophen des Landes*- beeinflusste die indische Kunst thematisch kaum. Einzig die Initiative der kommunistischen Partei, die Künstler beauftragte, durch die Hungergebiete zu touren und dokumentarische Skizzen zu machen, hat eine Reihe von Zeichnungen zu diesem Thema hervorgebracht. Außer diesem seltsamen Kunstauftrag hat diese wie auch der Blutzoll der anderen Hungernöte des Subkontinents* in der indischen Kunst keinen wesentlichen Niederschlag gefunden.
|
Foto von Willoughby Wallace Hooper: "1876-1879 famine in India"
|
Das erinnert daran, dass auch die Massenmorde des Dritten Reiches in der europäischen Bildkunst kaum Ausdruck gefunden haben. Vielleicht könnte man in Abwandlung der vielzitierten Adorno-Aussage, dass man nach Ausschwitz kein Gedicht mehr schreiben könne, sagen, dass es schlichtweg nicht möglich ist, Katastrophen solchen Ausmaßes überhaupt als Kunst zu bewältigen. Die dokumentarischen Fotos der verschiedenen Holocausts sind bei weitem sprechender und schockierender als jedes Kunstwerk es je sein könnte.
|
Zeichnung von Chittraprosad (1944) |
Der dritte Aspekt bezieht sich auf die indische Kunst, wie sie sich der europäischen Avantgarde anzunähern oder sich von ihr zu befreien sucht. Die 50 und 60er Jahre des 19. Jahrhunderts waren der Modernisierung der Kunst gewidmet, für die als einziges role model der west-europäische Kunstkanon diente. Das führte aber auch zu einer Gegenbewegung - aus gutem Grund; hatte man sich doch gerade politisch von einer westlichen Übermacht befreit.
|
Rabindranath Tagore: o.T. (1936) |
"Taking the momentum of the Santineketan's thrust … artists in Bengal rejected the rigidity of academic art taught in Western art schools as well as the revivalist, romanticised ethos of the Bengal school and wished instead to create an Indian art that responded at the imperatives of the reality around them - among them the disillusionment with the promises made at Independence… " R. Tagore
Sie waren teilweise eine Rückbesinnung auf alte Bildsujets und gingen einher mit einem Hindunationalismus, um sich vom Westen als eigene Kultur abzusetzen. Das nahm sich künstlerisch teilweise eher traditionell aus.
Die Zentren der zeitgenössischen Kunst sind entlang der ehemals kolonialen Hauptstädte entstanden: Mumbai, Chennai, Delhi, Kolkata. Hinzugekommen sind die globalisierten Städte heutiger IT-Produktionszentren wie Hyderabad oder Bangalore, die ihr Profil als Kunstorte gerade erst in den letzten Jahrzehnten aufgebaut haben.
|
Kshitindranath Majumdar: "Shri Chaitanya Meetsw His Mother after Sanyas" (um 1950) |
|
K.G. Subramanyan: o.T. (geb.1924)
Avinash
Chandra: “Tale from Panchatantra”
(ohne Jahreszahlangabe)
|
|
Prokash Karmaka: o.T. ( 1991) |
Alle Fotos aus der Ausstellung von Ina Zeuch
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen