Heute vor 82 Jahren - am 13. Dezember 1937 - wurden in Nanking schätzungsweise 300.000 Chinesen von japanischen Soldaten ermordet.
An diesem Tag rückten die japanischen Truppen in Nanking ein. Seit 1932 hielt die Kaiserlich Japanische Armee Teile Chinas besetzt. Der anhaltende Widerstand der Chinesen weckte die Rachegelüste der japanischen Besatzer. Mit dem Massaker an den Chinesen in Nanking wollten sie ein Exempel statuieren, zu dem sie sich in jeder Hinsicht als überlegene Herrenmenschen im Recht fühlten.
Sieben Wochen dauerten die Hinrichtungen an den Soldaten und dem Massaker an der Zivilbevölkerung - alles vor den Augen ausländischer
Journalisten und der in Nanking ansässigen internationalen Gemeinschaft. Japanische Offiziere gingen so weit, in heldenhafter Pose mit dem Schwert zu köpfen, wie es auf einem Foto in der Ausstellung zu sehen ist. Aber die Gräuel dieses gut dokumentierten
Kriegsverbrechen sollen hier nicht weiter ausgeführt werden, da man an
anderer Stelle ausführlich darüber nachlesen kann.
Tatsächlich sind hier alle Formen modernen Gedenkens vereinigt: Symbolische, fast poetisch anmutende Installationen werden mit brutalem Naturalismus und nüchterner Dokumentation, aber auch mit propagandistischen Ansätzen vereinigt.
Hat man die Allee der Bronzeskulpturen abgeschritten, die das Grauen in expressionistischem Naturalismus widerzugeben versuchen und sich an dem langen Gang entlang der Längsfront des Museums bis zum Eingang vorgearbeitet, herrscht in den großen Ausstellungshallen des Parterres eine geradezu sakrale Stimmung. Die Räume sind abgedunkelt - nur die Exponate sind beleuchtet.
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Empfangen wird man von einer tief melancholischen Installation aus reinem Licht: Von oben über die meterhohe Wand flitzen einzelne blaue Lichtspuren wie Sternschnuppen nach unten, wo sie in eine Wasseroberfläche eintauchen, die von einem Videoscreen imaginiert wird. Bei jedem 'Verglühen' entstehen Wasserringe, die die Oberfläche kräuseln und langsam vergehen, bevor eine neue 'Sternschnuppe' abstürzt und eintaucht. Diese komplexe und raffinierte Videoarbeit führt in den größten Ausstellungsaal, in dem Hunderte Porträtfotos der Ermordeten bis an die Decke angeordnet sind und die einen überwältigenden Eindruck von dem Massaker geben, obwohl zahlenmäßig nur ein Bruchteil von ihnen dargestellt werden.
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Fotos von den Opfern des Massakers |
Es folgt ein ausführlicher dokumentarischer Teil - sowohl Fotos als auch Briefe, Auszüge von Zeugenaussagen und entsetzten Journalisten, die nach Hause telegrafiert haben. Ein Teil wird ausdrücklich den Expats gewidmet, die damals in Nanking gelebt und die sich für die Chinesen eingesetzt haben, ihnen Unterschlupf gewährten, sie medizinisch versorgten - für diejenigen, die in panischer Flucht noch davon gekommen waren. 24 AusländerInnen werden mit Fotos und ihren Hilfsaktionen gewürdigt, unter ihnen
John Rabe, der für Siemens in Nanking arbeitete und Hunderten von chinesischen Flüchtlingen das Fabrikstor öffnete und versuchte, für sie eine Schutzzone auf dem Fabrikgelände zu errichten.
Alle diese HelferInnen werden in dem Begleitfilm mit dem Titel
'Buddha-Nature' geehrt, ein wesentliches Detail in einem sozialistischen Land, das seit der Gründung der Volksrepublik atheistisch ausgerichtet ist.
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die Porträts der damals in Nanking lebenden Ausländer |
Schließlich geht es in den zweiten Stock, wo neben einem Dokumentarfilm vor allem noch Skelette gezeigt werden, die bei Ausgrabungen und der Planung von Neubauten in der 8-Millionen-Metropole gefunden wurden. Fast sakral in drei großen Kreisen angeordnet oder von oben zu besichtigen - so schaut man auf sie hinunter in Grabungsreste eines Massengrabes, über dem das Museum errichtet wurde. Das kontrastiert abrupt mit einer naturalistischen Szenerie, die brutale japanische Soldaten nachstellt, die mit mordlüstern entstellten Gesichtern über fliehende Chinesen herfallen, begleitet von einem Soundtrack aus Explosionen, Fliegerattacken und Maschinengewehrsalven. Gerade dieser Teil der Ausstellung wird besonders häufig von den Besuchern mit ihren Handys abgelichtet. Sie ähnelt vielen TV-Serien, die man allabendlich im chinesischen Fernsehen sehen kann, in denen die Besatzung der Japaner thematisiert werden.
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Skelette von Opfern, deren Überreste noch bis heute gefunden werden |
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Fotos von einigen der Überlebenden |
Neben den Bildunterschriften, die die japanischen Besatzer verständlicherweise fast immer mit "brutal barbarians" bezeichnen, überrascht der abschließende Ausblick des Museums auf das Thema Frieden und Versöhnung. Die Ausgangshalle, die dann nach draußen über einen Park zur letzten Inszenierung führt, ist übersät mit Blumenkränzen, die offensichtlich von Besuchern abgelegt wurden.
Ebenfalls dokumentiert wird, dass das Massaker erst 1951 erstmalig
gewürdigt wurde - einzig mit einer schlichten Stele, von der ein Foto in
der Ausstellung zu sehen ist und die lediglich von 45 Arbeitern
berichtet, die ihren Posten in einem Kraftwerk nicht verließen und
deshalb ermordet wurden. Diese Stele wird als Momument for the Martyrs workers bezeichnet.
Das eigentliche Gedenken beginnt erst Mitte der 1980er Jahre - also
erst knapp 50 Jahre nach den Ereignissen. Dieses Schweigen mutet
angesichts der hohen Opferzahlen seltsam an, selbst wenn diese noch
nicht in vollem Umfang bekannt gewesen sein sollten.
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der letzte Weg vor dem Verlassen des Museums |
Die Forschung zum Nanking-Massaker geht bis heute weiter. Die Mauer mit den Namen der identifizierten Opfer am rückwärtigen Park des Museums wird für weitere Funde offengehalten. Schon einmal musste diese Mauer verlängert werden, weil die Ausgrabungen und die Geschichtsforscher immer weitere Opfer fanden.
Fotos von Uwe Kerkow, November 2019
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