Mit dem Titel "Warum ist nicht alles schon verschwunden?" stellt das Kunstmuseum Bochum eine Gruppenausstellung zusammen, die prominent mit der Installation von Ingeborg Lüscher ihres Bernsteinzimmers wirbt. Zu Recht: Denn sie ist bei weitem der interessanteste Beitrag dieser teils sehr bemühten Schau um das Verschwundene.
"Die Ausstellung", so in der Ankündigung auf der Webseite des Kunstmuseums "vereint Werke verschiedener Künstlerinnen mit unterschiedlichen Hintergründen, die ein assoziatives Netz aus Fragmentierung, Zeitdimensionen, Gewalt und Verwandlung bilden. Ihre Arbeiten bauen einen semi-fiktionalen Raum auf, ohne dabei zu versuchen, eine zusammenhängende Geschichte zu erzählen."
"Das Bernsteinzimmer" - Installation von Ingeborg Lüscher |
Das genau ist die Krux, denn assoziativ, fragmentarisch, semi-fiktional (was genau ist das?) - das ist die Steilvorlage für Beliebigkeit. Denn wenn man keine zusammenhängende Geschichte erkennen kann, das Fragemtarische räteselhaft bleibt, sich keine Bezüge herstellen lassen - was also soll dann der Inhalt sein? Welche Erkenntnisse sollen gewonnen werden? Worum geht es dann, wenn es zwar, wie der Ausstellungstitel vermuten lässt, um etwas geht, aber ohne Zusammenhang, ohne Bezug, willkürlich assoziativ und als Fragement unvollkommen, das man dann in der Fantasie weiterspinnen könnte, aber irgendwie richtungslos bleibt und möglicherweise gar nicht eindeutig interpretiert werden darf. Bleibt aber immerhin das "interesselose Wohlgefallen" (Immanuel Kant) an der teils durchaus sinnlichen Oberfläche der Werke.
Sinnlich und dabei mit einem sehr konkreten Bezug ist das "Bernsteinzimmer" von Ingeborg Lüscher. Dieses legendäre 'achte Weltwunder', als was es auch bezeichnet wird, war ein schier unermesslich prunkreicher Raum aus Gold und Spiegeln, Symbol sinnlosen Reichtums von und für Könige, Zaren und Kaiser und all denjenigen, die sich gerne mit ihnen identifizieren möchten.
Das Bernsteinzimmer wurde von Friedrich Wilhlem I an den Zaren Peter I verschachert, dann von der deutschen Wehrmacht zurückerobert, erneut aufgebaut, um vor der Roten Armee ausgelagert und versteckt zu werden und ist seitdem verschwunden - wahrlich eine wechselvolle und absurde Geschichte. Inzwischen gibt es eine 'detailgetreue' Kopie, die 2003 im Katarinenpalast nach jahrzehntelanger Rekonstruktion wieder hergestellt wurde.
Eine Kopie ist nun auch die von Ingeborg Lüscher, die das Bernsteinzimmer mit seinem geradezu schwachsinnigen Prunk aus hinterleuchteten Soleseifen aufgebaut hat. Der golden-orangefarbene Ton der Installation und der nahrhafte Wohlgeruch entfaltet eine Sinnlichkeit, die ich gerne gegen Gold und Spiegel des Originals eintausche, von dem ohnhin nicht ganz klar ist, wie es ausgesehen hat. Also nur noch Kopien im Umlauf, Fantasien über Prunk und Reichtum, dem Ingeborg Lüscher Wesentliches entgegensetzt: Seife und Salz.
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