Sonntag, 4. Juni 2023

"Tierisch gut" - das Tier in der bildenden Kunst im Museum ART.PLUS

 "Tierisch gut - Paradise Reloaded" heißt die aktuelle Ausstellung im Museum ART.PLUS in Donaueschingen und changiert dabei im Titel ambivalent zwischen Alltagsfloskel und dem schwer verständlichen Begriff vom wieder aufgeladenem Paradies. Nichts davon lässt sich in dieser zweifellos interessanten Werkschau wiederfinden. Weder werden Paradiesvorstellungen thematisiert und noch viel weniger lässt sich etwas tierisch Gutes finden ausser unserem eigenem Wohlbehagen, kein Tier zu sein. Aber so funktionieren viele Ausstellungstitel nun einmal - eben als Andocken für Besucher:innen, bekannte Slogans mit intelektuellen Begriffen zu paaren.

Wie unergründlich fremd uns der Blick eines Tieres trifft, zeigt sich gelungen in der Wolfsdarstellung von  Gabriela Oberkofer, von der auch die leeren Vogelhäuschen und Tierfallen stammen. Sowohl die Vogelhäuschen als auch die Tierfallen, die ihre Installation wie im Titel der Ausstellung "Paradise reloaded" nennt, sind wie das Paradies menschliche Erfindungen.

Leere Vogelkäfige oder deformierte Tierfallen zeugen von der Herrschaft der Menschen über das Tier.  Ob getötet, vielleicht entkommen wie bei den deformierten Tiefallen oder freigelassen wie bei den leeren Vogelkäfigen  - es zeigt den Tatbestand, dass es der Mensch ist, der in das Schicksal der Tiere massiv eingreift. Das Tier selbst lebt in keinem Paradies, es lebt und leidet in der Welt, die seine ihm eigene Umgebung ist oder versucht in einer fremdgewordenen Umgebung durch Anpassung zu überleben.

An der exotischen und oftmals glatten Oberfläche bleiben einige Tierdarstellungen wie die von Helmut Middendorffs "Nashorn", Claudia Webers "Ratte" oder die eleganten Zusammenschnitte von Haien im Video von Unbekannt (konnte den Namen des oder der Künstlerin leider nicht ausmachen) 

 

Nachdenklich stimmt der sehr zarte Hirsch von Jimmo Kangs Arbeit "Hirsch und Geweih", das vor einem stilisierten Geweih an der Wand steht. Kann er das Geweih als Teil seiner eigenen Art erkennen und wenn nicht, was erkennt er dann? Was ein Tier empfindet, bleibt uns meist zutiefst fremd und was wir darüber aussagen, ist gerade wegen seiner Fremdheit überwiegend geprägt von unserem Wunschdenken, Ängsten oder Verniedlichungstendenzen. 

Beeindruckend ist der Raum mit der Installation von Wim Botha "Solipsis VI". Der Künstler schreibt dazu:

"Es besteht die Möglichkeit, dass nichts von dem, was wir als dieses Leben wahrnehmen, tatsächlich real ist; sondern nur in der Einbildung unseres eigenen Ichs existiert. Nur meine oder Ihre Existenz kann wirklich als real bezeichnet werden, weil Sie oder ich sie leben."

Die an aufgescheuchte Vögel erinnernden Skulpturen zeigen explizit das Konstruierte der Darstellung. Die hölzerne Konstruktion der Flügel, die Podeste, die Neonröhren täuschen nichts Echtes oder Nachahmendes an. Dennoch bringen sie durch die Lichtreflexe, die Vielfalt der Skulpturen und dem Gesamteindruck dieser Installation ein Erlebnis mit Vögeln hervor, die - wie es Wim Botha beschreibt - nur in unserem Erleben existent ist. Der Rest ist Einbildung.

Einfach nur künstlich in der Darstellung ist deshalb eine weitere gültige Antwort zum Thema Tier in der Kunst. Die zwei Katzenplastiken im letzten Raum der Ausstellung zeigen nichts von der Geschmeidigkeit dieser Tiere und sind eben einfach nur Kunst.

Vollkommen vom symbolischen Ausschlachten erfüllt ist das Gemälde  "Hero" von Roland Schauls, das an die vielen heroischen Denkmäler von historischen Persönlichkeiten erinnert. Das Pferd verschmilzt hier mit dem Reiter zu einem Amalgam von Heldentum, das sich dem gezüchteten und zugerittenden Tier als Herrschersymbol bedient.

Anfang und Ende der Ausstellungswerke im Foyer bildet das "Einhorn" von Friedemann Flöther.  Dieses reine Fabelwesen steckt nun mit seinem Horn fest in der Säule der Eingangshalle und ist so den Blicken der Menschen ausgeliefert - ein Wesen, dass doch als so menschenscheu gilt wie  jedes Wildtier allgemein. Der Künstler gibt das als einen agressiven Akt aus: Das als friedliebend beschriebene Tier hat sein Horn impulsiv in die Säule gestoßen. Die Umdeutung des Fantasiewesens vom sanften zu einem aggressiven Fabelwesen ist Spielerei und daher irrelevant, aber schön azusehen.     

Alle Fotos von Ina Zeuch aus der Ausstellung

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