Sonntag, 2. Oktober 2022

Urban – lokal: Zwei Ausstellungen in Art Plus in Donaueschingen

In einer Verschränkung von internationalen Kunstpositionen mit Künstler:innen, die aus der Region stammen, aber bereits ganz anders verortet sind, zeigt die Art Plus-Galerie eine gelungene Fusion ihrer 2-Raum-Serie mit der Hauptshow in ihren Räumen.

Zum Thema Auto mit dem Titel "Durchstarten - Take Off" hat die Biedermann-Sammlung autoselige Werke aufgeboten, von denen ich hier nur eine kleine Auswahl zeige. So sieht man eine Autokarosserie von Ferrari in Gold, die - passend zum Glanz, den dieser nutzlose Luxus verströmt - den prächtigen Spiegelsaal des ehemaligen Kinos beherrscht.


Ebenfalls in Gold ist die voluminöse, und dennoch zarte Skulptur "Breathing Flower", von Choi Jeong Hwa aus Korea, die die dünne Membran der stilisierten Blüte mit Luft aufpumpt und sie damit zum 'Erblühen' bringt, um dann wieder in sich zusammen zu fallen. Was das mit dem Titel der Ausstellung zu tun hat, bleibt rätselhaft. Aber die Freude am Schauen macht dieses Manko wett.
 

Gegenüber von "Breathing Flower" greift Pierluigi Pusoles "Straßenschild" das Thema auf kindliche Weise wieder auf. 


Ebenfalls von einem italienischen Künstler stammt die Arbeit "Stele", bei der er Abdrücke von Autoreifen in schwarzen Marmor hineingemeißelt hat - eine ungewöhnliche Fusion von edel und profan.

Eine wirklich trickreiche Arbeit ist die zweiteilige Fotoarbeit, die eine Adaption des berühmten Bildes von  Edward Hoppers Bild "Nighthawks" zeigt. Wie in einem Suchbild entdeckt man den geparkten Mercedes vor der Bar als Fremdkörper, der aus Stuttgarts Autostadt stammt und nicht in die urbane Landschaft Hoppers passt. Ebenso ist die Bar nach dem Vornamen des Künstlers benannt. Noch überraschender ist dann die 'Auflösung' dieser Aneignung im zweiten Bild. 

Eine umfangreiche Crew von Arbeitern hat Hoppers Bild als Staffage aufgebaut, bei der das Gerüst für das Schaufenster der Bar noch sichtbar ist -  ebenso wie die Lampe, die die Installation für das Foto beleuchtet. Hinter dem Mercedes parkt das smartähnliche Miniauto eines Arbeiters und komplettiert den V-Effekt. Das verdeutlicht nicht nur, wieviel Arbeit und Präzision hinter einem künstlerischen Foto steckt - einem Genre, das lange nicht als Kunst anerkannt war. Es zeigt auch das Künstliche, das Konstruierte in den Kompositionen von Bildern wie der von Hopper auf. Sie sind eben nicht einfach nur Abbilder der Wirklichkeit. Sie erzeugen diese Wirklichkeit erst und lassen dadurch das Reale erst für alle sichtbar werden, das sonst nur als selbstverständlich und banal gar nicht wahrgenommen würde.

Diesen Positionen gegenüber zeigt Art Plus gegenstandslose Werkserien von Reiner Seliger. Seine Skulpturen und Wandarbeiten sind wuchtig und farbstark, dominiert vom Material,  das er wählt. Die Arbeiten aus Styropor sind dabei besonders beeindruckend und blenden sowohl durch ihr strahlendes Weiß als auch durch ihre formale Präsenz.

 

Es sind die Eigenschaften eines Materials wie Beton, Glas, Styropor, die Seliger in seinem Werk kompromisslos zum Vorschein bingt und damit einen spannenden Gegenpol zur Take Off - Ausstellung bildet. 
 
Blick in die Ausstellung

Alle Fotos von Ina Zeuch aus der Ausstellung


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