Sonntag, 4. Dezember 2022

Weben gegen die Unwirtlichkeit der Welt - Hana Miletic in der Kunsthalle Mainz

Schwere Filzdecken über Fotostative gestülpt empfangen die Besucher:innen der Kunsthalle Mainz in der ersten Ausstellungshalle von Hana Miletics Einzelausstellung. Weben, Stricken und Installationen aus Fäden, die durch den Raum gepannt wurden, waren einmal in der Anfangszeit  bei  der Suche nach 'weiblicher' Kunst en vogue und ist inzwischen etwas in Verruf gekommen. Denn die künstliche Einteilung in männliche und weibliche Kunst war für das Emazipationsstreben von Frauen in der Kunst eher kontraproduktiv. Aber Fakt ist, dass das Handwerk des Webens und Strickens überwiegend von Frauen ausgeführt wird. So sind die prächtigen Farbkompositionen der Filzdecken in Gemeinschaftproduktion verschiedener Frauenintegrationszentren in Belgien mit Frauen aus Ex-Jugoslawien entstanden.

Hana Miletic: "Felt Workshops", handgefertigte Filzdecken in Gemeinschaftsproduktion

Samstag, 15. Oktober 2022

False Clouds - eine Ausstellung zeitgnössischer Kunst in Sarajevo

Mitten in das bosnische Nationalmuseum von Sarajevo - der Hauptstadt von Bosnien und Herzegovina - eingebettet, zeigen 20 Künstler:innen zeigenössische Kunst. Unter dem Titel False Clouds werden unterschiedliche Auffassungen giftiger Wolken gezeigt, angefangen von den Explosionen im Jugoslawienkrieg von 1992 bis 1995 bis hin zur Erderwärmung und dazu entstehenden Bränden.

 Enes Žuljević: "The Clouds of Mostar"

Sonntag, 2. Oktober 2022

Urban – lokal: Zwei Ausstellungen in Art Plus in Donaueschingen

In einer Verschränkung von internationalen Kunstpositionen mit Künstler:innen, die aus der Region stammen, aber bereits ganz anders verortet sind, zeigt die Art Plus-Galerie eine gelungene Fusion ihrer 2-Raum-Serie mit der Hauptshow in ihren Räumen.

Zum Thema Auto mit dem Titel "Durchstarten - Take Off" hat die Biedermann-Sammlung autoselige Werke aufgeboten, von denen ich hier nur eine kleine Auswahl zeige. So sieht man eine Autokarosserie von Ferrari in Gold, die - passend zum Glanz, den dieser nutzlose Luxus verströmt - den prächtigen Spiegelsaal des ehemaligen Kinos beherrscht.


Donnerstag, 8. September 2022

Die Faszination des Stofflichen - eine Ausstellung im Kunstmuseum Stuttgart

Schön ist das anzusehen - Wolken von gemahlenem Erdgestein, ästhehtisch hingestreut und zwischen zwei Glasplatten transparent eingefangen. So der Auftakt zur Ausstellung von Hannah Zengers "Frischzelle_28" im Stuttgarter Kunstmuseum. Des Weiteren gibt es Kräuter und anderweitig Stoffliches in Plastiktütchen fein aufgereiht an der Wand und gegenüber gläserne Apparaturen, die Wissenschaftlichkeit atmen. Sammeln, Messen, Analysieren - das ist eine der Vorgehensweisen von Wissenschaft, denen sich hier die Arbeiten von Hannah Zenger anzunähern scheinen.

Sonntag, 14. August 2022

Das Fremde so nah - ein Ausflug in die Hochzeitsmeile von Marxloh in Duisburg

Gestern war Lockdown, heute schon Krieg. Aber der Lockdown hat während seiner Dauer unter anderem auch unsere Art des Reisens verändert. Nahziele und Wohnwagenkultur waren einige der Antworten auf die Einschränkungen durch das Coronavirus. So fuhr auch ich ins nahegelegene Duisburg, um endlich die so viel beschriebene Hochzeitsmeile im Stadtteil Marxloh kennenzulernen. 

Schaufenster eines Hochzeitsgeschäfts in Marxloh

Dienstag, 12. Juli 2022

Achtung Farbe! Eine Ausstellung in der Bundeskunsthalle Bonn

"Farbe ist Programm" nennt die Bundeskunsthalle ihre Ausstellung, die erwartungsgemäß hauptsächlich Malerei zeigt und bis 8. August zu sehen war.

Hito Steyerl: "Red Alert"

                                                    

Richtig Lust auf Farbe bekommt man da und dann das: Gleich am Eingang wird man von dem skulpturalen Stillleben des Künstlers Hans Op de Beeck empfangen, der einem vor Augen führt, dass man das Thema Farbe auch durch schmerzliche Abwesenheit von Farbe angehen kann. In tödlichem Grau entfalten sich in riesenhafter Größe Früchte, Weinkelch und eitel Tand in Form von Schmuck und dem unvermeidlichen Totenschädel als Hinweis auf Vergänglichkeit und nutzlosem Festhalten an Sinneslust und Reichtum. 
 

Hans Op de Beeck: "Vanitas XL"
                                                         

Dienstag, 28. Juni 2022

Die Palästinenser:innen sind immer noch da

Das Schweigen brechen  - das wollen ehemalige israelische Soldaten und Soldatinnen, die bei ihren Einsätzen in den von Israel besetzten Gebieten Menschenrechtsverletzungen an Palästinenser:innen begehen und anonym darüber Zeugnis ablegen wollen. Dazu liefert die NGO Breaking the Silence (BTS),  die sich 2004 gegründet hat, eine Plattform, auf der diese Berichte veröffentlicht werden. Sie liegen in Audios, Videos und in schriftlicher Form vor und geben einen tiefen Einblick in die Arbeit der  55 - jährigen militärischen Besatzung, deren Befehle täglich von israelischen Soldat:innen ausgeführt werden.

Aufmacher auf der Internet-Seite von BTS

Sonntag, 12. Juni 2022

BÄM! Tobias Rehberger in aller Schrille im Kunstmuseum Stuttgart

Der Künstler Tobias Rehberger hat es nicht mit kontemplativer Kunst. Werbetafeln, Plakate und blinkende Leuchtschrifttafeln bettet er in Wand-und Bodenornamente mit optischen Effekten ein, die der Op-Art der 1960er Jahre entlehnt sind. Als Betrachter:in befindet man sich in einem schrillen, flirrendem Gesamtkunstwerk.

Montag, 16. Mai 2022

Einfach Luft: Eine Ausstellung zum Element Luft im Kunstmuseum Bonn

"Welt in der Schwebe - Luft als künstlerisches Material" nennt das Kunstmuseum Bonn seine aktuelle Ausstellung, die noch bis zum 22. Juni zu sehen ist.

Gleich am Eingang der Schau wird man von der raumgreifenden Installation der aufblasbaren Skulpturen von Otto Piene überwältigt. In den schrillen  Farben von lila, gelb, rot und grün wiegen sich die raumhohen "Langen Stars", wie der Künstler sie nennt, mit ihren spitzen Sternformen durch den von den Besucher:innen erzeugten Lufthauch hin und her. 

Otto Piene: "Langen Stars", Spinnakertuch, Gebläse, Zeitschaltuhr, 2014

Sonntag, 10. April 2022

Schwindende Unterstützung für Flüchtlinge auf der Balkanroute

Wir treffen Abdul und Azim auf einer Decke auf dem kärglichen Rasen vor der Farm in Horgoš. Der Ort liegt 60 Kilometer von Ungarn im Dreiländereck von Serbien, Rumänien und Ungarn. Dort versuchen, viele Menschen auf der Flucht, über die Grenze in die EU nach Kroatien zu gelangen. Aber für Abdul ist seine Flucht hier zu Ende: Er will zurück nach Afghanistan. Heimweh, Geldmangel und die aussichtslose Lage, Arbeit für die Weiterfahrt nach Österreich zu finden, haben ihn zermürbt.

Sehnsucht nach einem Ende der Flucht: Graffiti in Horgoš

Sonntag, 2. Januar 2022

Das Bernsteinzimmer - ein Mythos und seine Transformation in Kunst

Mit dem Titel "Warum ist nicht alles schon verschwunden?" stellt das Kunstmuseum Bochum eine Gruppenausstellung zusammen, die prominent mit der Installation von Ingeborg Lüscher ihres Bernsteinzimmers wirbt. Zu Recht: Denn sie ist bei weitem der interessanteste Beitrag dieser teils sehr bemühten Schau um das Verschwundene. 

"Die Ausstellung", so in der Ankündigung auf der Webseite des Kunstmuseums "vereint Werke verschiedener Künstlerinnen mit unterschiedlichen Hintergründen, die ein assoziatives Netz aus Fragmentierung, Zeitdimensionen, Gewalt und Verwandlung bilden. Ihre Arbeiten bauen einen semi-fiktionalen Raum auf, ohne dabei zu versuchen, eine zusammenhängende Geschichte zu erzählen."

"Das Bernsteinzimmer" - Installation von Ingeborg Lüscher