Montag, 14. Oktober 2024

"beyond algorithms": Eine Ausstellung im Bonner Frauenmuseum / Teil 1

Kaum in der Ausstellung angekommen laufe ich in die große Videoarbeit von Karen Eliot hinein, die einen ganzen Raum um den Bildschirm herum installiert hat. Auf einem weißen Ledersofa mit Leselampe sitzt man wie in einem fremden Wohnzimmer, umgeben von herumliegenden Resten einer exklusiven Konferenz für Luxustouristen: Sektgläser, zerknüllte Snacktüten und Prospekte. Noch befremdlicher sind die Slogans, die der perfekt gestylte, unerträglich selbstbewusste  Sprecher im Video verkündet. Hinter ihm Bilder von grenzenlosem Luxus: Schnelle Autos, Yachten, Luxushotels, Berge von Bitcoins... Wir sind es, die Versager, die 'Nobodies', die 'Pussies', die ein solch erfülltes (?!) Leben nicht geschafft haben  - ganz den neoliberalen Slogans folgend, nach denen Armut selbstverschuldet und Reichtum durch Talent und Arbeit erreicht worden sei. Folgerichtig deshalb auch der Titel: "Billionaire Mindset"

Videostill aus Karen Eliots: "Billionaire Mindset"

Im verpixelten Video von Kathrin Hunze prallen Bruchstücke von Konsumwelten mit virtuellen Welten aufeinander. Roboter verpacken und versinken in Warenberge, während schwerelose Wesen auf Skiern über sie hinwegfliegen und Riesenameisen über braune Berge klettern. Immer wieder fließt die Bilderflut wie Schaum ineinander. Konterkariert wird diese teils schwer zu entziffernde Arbeit mit Bildern von einer Frau mit 3D-Brille, die auf einem Hubwagen stoisch einen Betonklotz durch die Straßen einer realen Stadt hinter sich herzieht. Die ausgestellten  Fotos zeigen offensichtlich all die Bilder, die Kathrin Hunze in ihrer Bildbearbeitung  zu ihrem Video verwendet hat. Im Begleittext wird beschrieben, wie die Künstlerin mit der 'Lise Meitner Group Social Behaviour' vom Max-Planck Institut für chemische Ökologie zusammengearbeitet hat. Darin heißt es:
"Die Erkenntnisse der künstlerischen Forschung werden in einen digitalen Raum transportiert, um Parallelen zwischen dessen Strukturen (der 'klonalen Raiderameise' - Anm. der Autorin) und menschlichen Strukturen zu erkennen."

Das aber bleibt rätselhaft.

Videostills aus Kathrin Hunzes "Two Legs or six"
Fotos zu Kathrin Hunzes Video "Two Legs or six"

Eine sehr subjektive Auseinandersetzung mit den sozialen Medien nimmt Molly Soda vor. Beginnend mit einem Lied, das sie 2013 in ihrer damals traurigen Verfassung gesungen und hochgeladen hat, um - wie sie sagt - dem Internet ihre Traurigkeit mitzuteilen, nimmt sie sich nun jedes Jahr erneut mit demselben Lied auf und reagiert damit jeweils auf die letzte Aufnahme. So entstand eine Serie einsamer Autoerotik vor der Kamera, die sie dem Internet wie einer lebenden Person mitteilt. Nicht nur das Bild wird immer verzerrter, auch der ursprüngliche Gefühlszustand verfremdet sich immer weiter, mutiert zu einer 'Gefühlskopie' oder generiert neue Gefühle - eine sehr eigenwillige Arbeit zum Thema zu social media, die berührt.

Videostills aus  Molly Sodas "....(."

 "Memories from the Future" von Eleni Dimopoulou zeigt ein von einem KI gesteurten Dialog mit einem 'Metahuman' - einer virtuellen Reality - in dem es keine echten Menschen mehr gibt. Damit stellt diese Arbeit Fragen nach einem traditionellen Journalismus und Informationsaustausch, die ins Herz der heutigen Diskussion im Umfgang mit KI stellt.

Video und Installation von Eleni Dimopoulous "Memories from the Future"
Ähnlich aktuell und beunruhigend ist Echo can Luos Arbeit "Beauty Alpha". KI-Plattformen, Facelifting und ihre Anwendung in sozialen Medien für die "Selfie Beautification" entfalten sich in dieser Videoarbeit als permanente Selbstoptimierung und Perfektion von Aussehen im Netz. Verschiedene Beauty-Typen werden übereinandergelegt,  um den allgemeingültigsten transnationalen Beautytypus heruszufiltern. 

Echo can Luo: "Beauty-alpha"

Inhaltlich wesentlich weniger anspruchsvoll ist die Videoeinstallation "WHAT IS IN ME?" von Kamalanetra. Die Aussage der Künstlerin hierzu:

"Komplexe 3D-Skulpturen werden durch Oberflächengrafiken zum Leben erweckt, die die geometrische Essenz des göttlichen Weiblichen einfangen. 'WAS IN MIR IST": Die Liebe, die in mir brennt, das Leben, dass in mir ist, ist überall. Wenn Sie die mathematische Schönheit um Sie herum analysieren, werden Sie verstehen, das wir jenseits von Algorithmen miteinander verbunden sind."

Diese an esoterische Werbetexte erinnernde Auffoderung an das Publikum stößt auf, weil sie sich vermutlich eher an ein überwiegend weibliches Publikum - Stichwort 'Cyberfeminismus' -  wendet und damit alle anderen ausgeschlossen sind, trotz der Aussage, dass wir angeblich alle miteinander verbunden sind. Dem weiblichen Publikum wird zudem eine Weltsicht aufzudrängen versucht, die stark religiös daher kommt. Auch der Begriff der 'Transwoman', der zusammen mit dem Begriff 'Cyberfeminismus' im Text ebenfalls vorkommt, wird hier nicht eingelöst. Zweifellos handelt es sich bei der zentralen Figur im Video um eine idealisiert weibliche Figur, die nichts transformiert, sondern das Klischee von weiblicher Schönheit unverändert übernimmt. Aber ohne diese Anmerkungen zu ihrer Arbeit kann man dafür die gestylte Ästhetik von "WHAT IS IN ME?" voll konsumieren.

Videoinstallation von Kamalanetra: "WHAT IS IN ME?"
Viel wirkmächtiger im Sinne des Feminismus sind da die Porträts der Frauen, die Pionierinnen auf dem Gebiet der Computertechnologie und der Mathematik zeigen. Denn sie sind reine historische Fakten und für viele dürften diese Frauen völlig unbekannt sein.

Die Ausstellung ist noch bis zum 17.11. 2024 im Frauenmuseum zu sehen.
Teil 2 folgt in Kürze.
 

 Alle Fotos aus der Ausstellung von Ina Zeuch




 









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