Wenige Kilometer von Nairobi entfernt - im YMCA-Gebäude - befindet sich
der Sitz der Ngecha Artists Association. Wer von Nairobi ins 40 Kilometer entfernte Ngecha fährt, sieht sich
tief in ländliche Idylle verschlagen. Eingehüllt in den Staub der roten
Lateriterde reihen sich die Bretterbuden der Verkaufsläden an der
Straße. Esel mit Leiterkarren sind das übliche Transportmittel der
Farmer, die hier die Mehrheit bilden. Das Umland von Nairobi ist bergig
und fruchtbar und deshalb musste der Wald dem Terrassenfeldbau weichen.
Der englischen Kolonialmacht ist es hier im Gegensatz zu Kolonien in
Westafrika gelungen, die Kenianer zum Reisanbau zu zwingen. Dieses
rabiate Vorgehen sieht man der Landschaft auch heute noch an.
Niemand
würde hier draußen eine der aktivsten Künstlergruppen des Landes
vermuten. Doch nur wenige Schritte von der Durchgangsstraße entfernt
befindet sich der Sitz der Ngecha Artists Association
(Künstlervereinigung von Ngecha) im YMCA-Gebäude , das von der Kirche
unterhalten wird. Einer der winzigen Räume wird von den Künstlern
genutzt. Hier finden ihre Workshops statt, hier besprechen sie ihre
Ausstellungen und neue Projekte. Reihum schieben sie zu festen Zeiten
Bürodienst, sind ansprechbar für Besucher. Von jedem Künstler sind
mehrere Werke zu sehen und das Büro dient so auch als Ausstellungsraum.
In
dem dicht mit Bildern behängte Raum zeigen sich dem Besucher Werke
unterschiedlichster Stile und Qualität. Am Boden stehen Holzskulpturen,
weitere Bilder lehnen an den Wänden. Alle Kunstwerke sind käuflich, 20
Prozent der Erlöse bleiben in der Kasse der Ngecha Artists zur
Finanzierung von Material und Projekten.
Francis
Mbugua hat sich eine Art Schuppen neben seinem Haus gezimmert. Dort
malt er und bearbeitet seine Holzskulpturen. Er ist der einzige, der
westliche Maler als Vorbilder nennt. Vor allem die Malerei der Romantik
hat es ihm angetan. Auch seine eigenen Bilder zeigen Landschaften. Dabei
zieht er sich oft tagelang in die Natur zurück. Früher lebte er in
Nairobi, der Übergang aufs Land fiel ihm schwer. Heute möchte er die
Ruhe nicht mehr missen.
Wie Francis Mbugua arbeitet auch 'King
Dodge', wie er mit seinem Künstlernamen heißt, in Malerei und Skulptur.
Seine Kunst versteht sich als sozialer Kommentar zum gesellschaftlichen
Leben. Dörfliche Enge, Armut und harte Landarbeit prägen die Motive.
Anders geht Wakin Muhia mit ähnlichen Themen um. Sowohl in der
Farbgebung wie in der Komposition zeigen seine Bilder eine große
Einheitlichkeit. Die Figuren treten nur einzeln oder in Paaren auf, die
Palette bleibt in monochromen Braun- bis Gelbtönen. Belebendes Grün
akzentuiert die Umrisse. Die Bilder wirken melancholisch und
introvertiert.
Moses Njoroge Chegeh möchte in seiner Kunst auf
verlorengegangene Traditionen aufmerksam machen. Er spricht von der
"Schönheit des Vergangenen". Seine Gruppenszenen arbeitet er auch als
komplexe Skulpturen heraus.
Etwa zwanzig Künstler zählt die
Vereinigung. Jeder kann Mitglied werden, hier arbeiten und etwas von
sich ausstellen. Fast alle von ihnen arbeiten allerdings zu hause. - die
meisten sind Autodidakten. Sowohl die Themen wie ihre Ausführung
verraten eine bedrückende Einfachheit, wie sie sich auch in den
Verhältnissen widerspiegelt. Ngecha ist bis auf wenige Straßen ohne
Strom- und Wasseranschluss. Ein paradoxes Bild bieten die großen
Blumenplantagen, die tagsüber bewässert und des Nachts künstlich
beleuchtet werden: Ein Luxus den die Menschen hier nicht genießen.
Chain
Muhandi, einer der Mitbegründer der Künstlervereinigung, wagt sogar den
direkten politischen Kommentar. In einem Bild zur Wahl von 1997 zeigt
er ein wildes Durcheinander von Menschen. Die wohlgenährten Agitatoren
verteilen Geschenke und stecken einigen Wählern schmutzige Geldscheine
zu. Daneben derbe Kneipenszenen, die Betrunkene und Erschöpfte zeigen,
denen die politischen Parolen von einem besseren Leben wie Alkohol
eingeflößt werden. Wegen solcher und anderer deutlicher Aussagen wurde
er auch schon für ein paar Tage verhaftet. 1998 bekam er von der
Heinrich-Böll-Stiftung ein sechsmonatiges Stipendium nach Deutschland.
Nur die solidarische Gruppe ohne Zugangsbeschränkung kann seiner Meinung
nach die Isolation der Künstler überwinden helfen.
So haben es
die Ngecha Artists auch immer wieder zu gemeinsamen Ausstellungen
gebracht. Dabei sind die Aktivitäten im wesentlichen auf Nairobi
gerichtet. Im März 1999 stellten sie gemeinsam im Nationalmuseum aus,
auch die Kontakte zum hiesigen Goethe-Institut sind gut. Daneben gibt es
in Nairobi noch die Watatu-Galerie, die sich als zeitgenössische
Galerie versteht, bislang aber mit zwiespältigen Konzept arbeitete: Vor
vielen Jahren wurde sie von einer Schweizerin gegründet mit der Absicht,
die touristischen Reize Ostafrikas bekannt zu machen. Die üblichen
Landschaftsidyllen, Safarimotive wie Löwen und Elefanten zierten die
dort ausgestellten Werke und brachten kommerziellen Erfolg. Derartige
Themenausstellungen brachten viele Künstler dazu, aus finanzieller Not
heraus den Markt zu bedienen. Heute zeigt die Galerie auch andere,
authentischere Werke.
Muhandi, der bei einem Deutschlandaufenthalt
Ausstellungen in Köln, Bonn und Frankfurt besuchte, konnte einen
Einblick in den hoch spezialisierten Markt westlicher Kunst bekommen.
Nairobi - auch die Drehscheibe Ostafrikas genannt - ist hiervon weit
entfernt. Kunst ist hier eine marginale Angelegenheit, die meisten
Kenianer kämpfen um ihre Existenz. Auch die Künstler von Ngecha besitzen
etwas Land, dessen Ertrag zum Familieneinkommen beiträgt. Die wenigen
privilegierten Künstler mit einer Ausbildung in Europa sind als
afrikanische Künstler nicht mehr kenntlich. Sie bedienen sich der
internationalen Sprache der Kunst und vermeiden oft ausdrücklich die
klassischen, als afrikanisch bezeichneten Genres von Malerei und
Skulptur. Viele der Künstler aus Ngecha werden nie die Chance haben, ihr
Land zu verlassen. Sie sind auf das angewiesen, was Muhandi ihnen
berichtet - und auf die wenigen Besucher, die trotz der beschwerlichen
Anreise zu ihnen kommen und manchmal sogar etwas kaufen.
Dieser Beitrag ist zuerst bei Entwicklungspolitik Online erschienen. Text und Fotos von Ina Zeuch.
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