Sonntag, 14. Januar 2001

Der urbane Wilde - Amouzou Glikpas multikulturelle Schau


Erst seit einem Jahr veranstaltet das Völkerkundemuseum Rautenstrauch-Joest in Köln in Ergänzung zu seinen ethnologischen Sammlungen Ausstellungen zeitgenössische afrikanische Kunst. Man könnte meinen, dies widerspreche sich. Ist doch ein zeitgenössischer Künstler immer auch ein globaler Künstler, dessen Bezug zu seiner Zeit und in seinen Zeitgenossen liegt.
Die ethnologische Zuordnung, die dem 19. Jahrhundert entstammt, hat in diesem Zusammenhang praktisch keine Bedeutung mehr. Aber wer die Ausstellung des togolesischen Künstlers Amouzou Glikpa betritt, spürt sofort, dass sich seine Werke problemlos in die ständige Sammlung einfügen. Sie könnte die modifizierte Fortsetzung von Masken und Fetischen sein, die man in den oberen Stockwerken bewundern kann.
Erdbraune Gemälde und eine widderähnliche, mit nassem Ton bearbeitete Plastik, einzeln und in Gruppen angeordnet, bestimmen den Raum. Überdimensionierte Kaurimuscheln - einst ein Zahlungsmittel Westafrikas - inspirierten den Künstler zu Formen aus Eisen und Holz. Holz ist eines der wichtigsten Materialien alter afrikanischer Kunst und die Schmiedekunst war früher in viele Ethnien heilig.
Neben diesen deutlich afrikanischen Stilmitteln weist Glikpas Werk auch noch andere Tendenzen auf: Mehrere Jahre studierte er an der Akademie der Schönen Künste in Peking und bringt von dort ebenfalls kulturelle Einflüsse mit. Schon am Eingang hängen auf Zeitungsbahnen gearbeitete Schriftrollen mit chinesisch anmutenden Chiffren. In ihrer fein ausgearbeiteten Hintergrundsstruktur mit den gewitzten, rituell anmutenden Formen im Vordergrund sind sie die besten Arbeiten der Schau. Auf weiteren Bildern mit rotbraunen Grund machen sich andere, unverständliche Formeln breit. Hin und wieder entstehen figurative, raumgreifende Liniengebilde. Zum Thema "L'amour" gibt es Zeichnungen zu sehen, die an die Maniriertheit von Dali erinnern: Dünne, fast körperlose Wesen werfen lange Schatten in künstliche Räume. Zentral dazu sind die widderähnlichen Köpfe in Kreuzform an der Stirnwand angeordnet und versetzen den Raum in sakrale Stimmung.
Auftritte und Performances des Künstlers sind auf einem Video zu sehen. Hier entsteht das Gefühl, dass es dem entwurzelten Europäer endgültig an den Kragen geht. Der fast nackte Glikpa wälzt sich darin in schlammähnlicher Farbe, rollt in quälender Mühe auf dem Boden und trägt auf diese Weise den Schlamm nach und nach ab. In Düsseldorf hat er sich die Farbe im urbanen Raum von Treppen, Straßen und öffentlichen Plätzen abgeschabt: Ein exemplarischer Wilder, der durch seine ursprüngliche Körperlichkeit - oder das, was man dafür hält - die städtische Umgebung zur absurden und lebensfeindlichen Umwelt werden lässt. In weiteren Aufnahmen sieht man Glikpa zu afrikanischen Trommelklängen spontan Zeichen aufs Papier malen. Auch greift er schon mal selbst zur Trommel und vervollständigt damit endgültig die Palette der Klischees vom afrikanischen Künstler. Schon durch seine Biografie erfüllt Glikpa das Schlagwort vom multikulturellen Künstler.
Aber geht der Togolese, der schablonenhafte Vorstellungen von chinesischer Kalligraphie, Voodoo und europäischen Surrealismen nahezu unreflektiert vereinigt, hier wirklich auf die Kulturen ein, denen er die bekanntesten Formen entnimmt? Die besseren Werke Glikpas wie die Arbeiten auf Zeitungspapier oder die großartige Installation eines ausgetrockneten Flussbetts, das im Video zu sehen sind, lassen keine eindeutige Antwort darauf zu.

Text und Fotos von Ina Zeuch, zuerst bei Entwicklungspolitik Online erschienen.

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