Freitag, 10. Dezember 2010

Essenfassen in Chennai

Indien ist jetzt computerisiert und vercellphoned und noch viel bürokratischer, als ich es in Erinnerung habe. Um einen Platz in den vollgestopften Internetshops zu bekommen (oft im 2. Stockwerk mit sehr niedriger Decke), muss man seinen Pass vorzeigen und oft sogar ein Formular mit Name, Adresse und Telefonnumer ausfüllen. Eine simcard fürs Mobiltelephon ist noch ein Schritt komplizierter, da braucht man noch ein Foto und die letzte Hotelrechnung als Referenz. Auf diese Weise kommt auf jeden Fall mächtig Papier zusammen.
Auch bei einem Restaurantbesuch  gibts ordentlich Verwaltung. Vorne an sitzt der Kassierer in einer Art offenen Pförtnerloge, schräg gegenüber sitzt an einem einfachen Schreibtisch der Manager. An den kann man sich wenden, wenn was ist. Dann gibt's die Oberkellner, nachdem einem vorher von jemand anderen - einer offensichtlich kategorielosen Servicekraft - die Menükarte gegeben wurde. Diese nimmt auch die Bestellung entgegen, die er dann an die Unterkellner, die keinen direkten Kontakt mit dem Klienten haben, weitergibt. Das sind zumeist Jungs zwischen 14 und 16 Jahren, einige auch mal grade keine Kinder mehr. Die bringen auch das Essen, was dann wieder vom Oberkellner serviert wird. Dann gibts noch die Abräumtruppe und in ganz grossen Läden, wo schon mal bis zu 300 Leute in der Stosszeit zwischen 13 und 15 Uhr zusammen kommen - die Nachschublieferer. Die rennen herum und geben von drei Gemüsesorten und einer Sauce kellenweise Nachschub zum Reisgericht.
Das Standardgericht, was praktisch von allen in Abwandlungen gegessen wird und circa zwischen 80 Cent und 1.50 Euro kostet, besteht eben aus sehr viel Reis, hier gerne auch auf einem Bananenblatt serviert und 7 bis 9 Zutaten,  das sind Gemüseorten, alle unterschiedlich gewürzt und immer dabei ist eine kleine Schale Joghurt und eine Art Gemüsebrühe und schmeckt fantastisch. Das kann man wirklich jeden Tag essen, was die Inder, die ich in den Restaurants gesehen habe, auch tun.
Opfergaben für den Tempelbesuch
Tamil Nadu ist berühmt für seine vegetarische Küche. Von denen, die in hungrigen Scharen hineinströmen und den Gesättigten, die herausströmen ist da schon ziemlich viel Bewegung in so einem Laden, was ich anfangs mit viel Staunen beobachtet habe und dadurch oft den strikten Zeitplan der ganzen Nahrungslage verpasst habe. Tatsächlich scheine ich die Einzige zu sein, die Zeit hat. Denn ziemlich zügig leert sich der Laden wieder, das Mittagsmenü wird von der Karte gestrichen und kann nicht mehr bestellt werden, kleine Plastikschilder mit "No Service" werden auf ein Drittel der Tische geknallt, auch wenn man da noch sitzt ... klack klack klack macht das auf die Steinplatten und wenn man dann so langsam ist wie ich und so weit entfernt vom Allgemeinwissen um die Dinge, dann sitzt man da mit immer noch leerem Magen, während halb Chennai gesättigt weiterhetzt.
Dann kann man erst mal nur Tee bestellen und Süsskram mit vielen Namen. Der administrative Ablauf bei der Chai-Truppe ist entsprechend gemächlicher - das ist wieder eine ganz andere Szene. Der Kassierer zählt mit Hingabe das eingenommene Lunchgeld, ordnet es in einzelne Häufchen, friemelt Gummibänder drum, streicht nochmal über die Scheine...  Das ist ein Bild, das man oft sieht: Menschen die gedankenverloren und hingebungsvoll Geld zählen.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen