Moumouni Ouedrago: "Le temoin"
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Mitten in den politischen Wirren Mails und der drohenden Teilung des Landes fand vor einem Jahr vom 3. bis 6. Juli 2012 ein Symposium im Nationalmuseum von Mali's Hautpstadt Bamako statt. Zusammen mit Ousmane Denon stellte der Künstler Moumouni Ouedrago Objekte vor, die unter dem Titel "Divination et Mystère" - "Geheimnis und Auslegung" von Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens wie der Gendarmerie und Justiz diskutiert wurden.
Foto: Moumouni Ouedrago |
Es ging um nichts weniger als um die vielfältigen Praktiken der Wahrsagungen, die in ganz Westafrika geläufig sind. Denn neben der offiziellen Religion des Islam in Mali selbst wie seiner Nachbarn Senegal und Mauretanien, aber auch in Burkina Faso oder Nigeria, gibt es eine reiche Praxis von vor-islamischen Riten und Gebräuchen, die die kulturelle Identität der Menschen ebenso bestimmen wie die muslimische Zugehörigkeit. Obwohl dieser Austausch bereits seit 5 Jahren währt - initiiert und durchgeführt vom Conservatoire des Arts du Mali - ist sie gerade durch die Ereignisse im Norden des Landes auf traurige Weise brisant. Denn dort wurden - wie es vor einem Jahr unentwegt durch die Weltmedien geisterte - von Islamisten Gräberhügel von muslimischen Heiligen als heidnische Abtrünnigkeiten zerstört. Im Islam gibt es keine Heiligen und auch keine Vorhersagungen, die einzige Quelle für orthodoxe Gläubige ist der Prophet Mohammed und der Koran sowie die Hadiths. Zweifelsohne würde die Ansar Al Din - Bewegung, die 'Hüter des Islam', wie sie sich nennen - die Divinationspraktiken wohl ebenso verurteilen.
Schreinwand in Abomey von Cyprien Tokoudagba |
Eine Vielzahl von Weissagungen werden in diesem Symposium gelistet und analysiert, Kategorien der schwarzen und weißen Magie aufgestellt. Moumouni selbst rechtfertigt die geomantischen Ansätze der Vohrersagen als quasi wissenschaftlich, als reines Zählen und Auswerten von Zeichen. Darauf beziehen sich auch seine Objekte und Skizzen. Neben dem sehr speziellen Kontext dieser Werke entsteht eine künstlerische Qualität, die eine tief verwurzelte Realität beschreibt und als Ausstellungskonzept noch zu entdecken wäre: Die Schnittmenge von Kunst und Kunsthandwerk ist durchaus bekannt, aber die Schnittmenge zwischen Kunst und Magie oder wie hier - Kunst als Anschauungsmedium zur Weissagung?
Cyprien Tokoudagba: "Zangbeto-lêgba" (Acryl auf Leinwand)
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Eine große Ausnahme hierbei stellen die Werke des Künstlers Cyprien Tokoudagbas dar. Als Voodoo-Initiierter in seiner Heimatstadt Abomey in Benin, wo Voodoo seit 2001 neben dem Islam Staatsreligion ist, bemalt er die Wände von Schreinen mit denselben Motiven wie seine Leinwände. Als transportables Gut konnte es auf diese Weise in der westlichen Kunstwelt als eine der exotischsten Positionen verankert werden- säkularisiert und zugerichtet für den Appetit westlicher Kunstkäufer, denen es in Abomey verboten wäre, die Mauern der Schreine zu fotografieren.
Paul Klee: "Betroffener Ort" (Ausschnitt) |
Ohne diesen Hintergrund von Weissagung und aufgeladenen Riten zeigen die Bilder Paul Klee's eine verblüffend ähnliche Präsenz und magische Bildgestaltung.
Symposium im Nationalmuseum von Bamako
Foto von Moumouni Ouedrago
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Für die Anwesenden dieses Symposiums, die sich hier im Nationalmuseum Bamakos versammelt haben, scheinen Kunstobjekte als Anschauungsmaterial für Weissagungen eine durchaus bekannte Größe zu sein, wenngleich mit vielen Unwägbarkeiten. Denn ihnen sind die Schwierigkeiten der Trennlininen bis hin zu strafrechtlichen Verfolgungen von Missbrauch durch Hexerei und schwarzer Magie bewusst: Mitten im Dschungel eines Paralleluniversums, das durch den Alltag der Menschen lebendig ist und durch neue Einflüsse permanent angereichert wird wie das Werfen der Kaurimuscheln, voodoo-ähnliche Tierschlachtungen, das Lesen von Spuren im Sand, Astrologie und vieles mehr.
Moumouni Ouedrago: "Le sueil" |
Moumouni's These ist, dass gerade durch die wachsenden wissenschaftlichen Erkenntnisse und der damit einhergehenden technologischen Errungenschaften eine Hinwendung zur Magie geradezu gefördert wird. Ein Bedürfnis, mehr wissen zu wollen als man wissen kann, in die Zukunft blicken, sie beeinflussen zu wollen und das Geheimnis des Lebens, des eigenen Schicksals mittels geomantischer Techniken zu erfahren.
Moumouni Ouedrago: "L'inspiration" |
Das ist keineswegs ein zutiefst afrikanisches Bedürfnis, sondern virulent auch hier im Westen. Jede größere deutsche Buchhandlung - und sicher auch anderwo - hat inzwischen eine wachsende Abteilung für esoterische Bücher, in der es auch Tarotkarten, Pendel und Devotionalien aller Art gibt, auch wenn wir es nicht so nennen. Das die Devotianlienmärkte in Afrika etwas anders aussehen und teilweise fließend in Gemüse- und Medizinmärkte übergehen sollte den Blick nicht darauf verstellen, dass wir uns alle viel ähnlicher sind, als gedacht und was unterschiedlich aussehen mag, so unterschiedlich gar nicht ist. Aber das Bewusstsein dafür scheint zumindest in diesem Symposium wesentlich weiter gediehen zu sein als in unserer Wahrnehmung - möglicherweise wegen des ungeheuren Drucks, den islamische Fundamentalisten mit ihren Vorstellungen von der reinen Lehre ausüben und damit alles verdammen, was allzu menschliche Praxis ist. Es wäre wohl einfacher, wenn alle dasselbe meinten, wenn sie von Gott sprechen und von den 'richtigen' Vorstellungen geleitet würden, wenn sie zu ihm beten.
Moumouni Ouedrago:"L'influence" |
Aber die vorherrschenden Religionen hier wie dort werden - ob die allzu menschlichen Stellvertreter Gottes es wahrhaben wollen oder nicht - niemals ausreichen, die vielfältigen, immateriellen Bedürfnisse der Menschen zu befriedigen. Mit Integration war bisher jegliche Missionierung von Erfolg gekrönt: Die alten Götter stürzen, um ein paar der alten Riten in kaschierter Form weiterleben zu lassen. Das macht die Vielschichtigkeit, die Anreicherung von Kultur aus, dass sie nicht eindeutig, eben nicht 'rein' ist und zu so rätselhaften, inspirierenden Werken wie den hier abgebildeten führt.
Moumouni Ouedrago: "D'inspiration" |
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