Mittwoch, 9. Oktober 2013

Ist politische Kunst möglich? (7) Ohnmacht, Terror, Langeweile - Teil 2

"Revolutie und Polizey" heißt der zweite Teil der Ausstellung von "Ohnmacht als Situation" im Frankfurter Kunstverein. Viel unspektakulärer und mit schwerer Schlagseite ins elitär Intellektuelle geht hier das zweite Künstlerduo Mona Vatamanu aus Bukarest und Florin Tudor aus der Schweiz vor. (Erster Teil dieses Beitrags hier.) Empfangen wird man mit einem Walter Benjamin-Zitat, das hier unnötigerweise auf Englisch und wie beiläufig mit Bleistift an die Wand gekritzelt ist,  in dem es heißt, dass man die revolutionäre Energie nicht einfach in die Jugend einspeisen könne wie Elektrizität in eine Batterie. Darunter steht auf dem Treppenabsatz eine Batterie mit Glühbirne. Man fragt sich, ob es wirklich notwendig ist, ein Sprachbild in eine solche Mini-Installation - sozusagen in hardware - umzusetzen.
Mona Vatamanu / Florin Tudor: "Riots"
Weiter geht es mit einem Set von fünf kleinen Ölgemälden, von denen es im Beiheft zur Ausstellung heißt: "...der Umstand, dass dafür ausgerechnet das hochkulturell konnotierte Medium der Ölmalerei gewählt wurde, erhält besondere Bedeutung." Das klingt ein bisschen wie eine Entschuldigung dafür, dass man in einer zeitgenössischen und sehr politischen Ausstellung überhaupt noch Malerei  zu sehen bekommt. Die Gemälde zeigen physische Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Demonstrierenden. Das ist Bedeutung genug - egal in welchem Medium. Insbesondere in Frankfurt dürfte das sonnenklar sein, weil die Stadt nicht nur die heftigen Auseinandersetzungen um die Startbahn West, sondern auch erst wenige Wochen zuvor eine brutale Einkesselung von Blockupy DemonstrantInnen erlebt hatte.
Zuordnungen wie Malerei gleich 'hochkonnotiert'/ bürgerlich und Video/Fotografie gleich 'niedrig konnotiert'/revolutionär stimmen doch schon lange nicht mehr. Schön wäre ein Diskurs ohne solche kuratorischen Einteilungen, denn wie ein Medium daher kommt, hängt doch immer von denjenigen ab, die es benutzen. Erst recht, wo die sogenannten neuen Medien schon lange im mainstream internationaler Kunstevents angekommen sind.
Mona Vatamanu / Florin Tudor
Denkwürdig ist auch die Momentaufnahme aus dem Nachrichtenkanal Euronews, in dem Polizisten einen geradezu grotesk geschmückten, riesigen Weihnachtsbaum in der Konsummeile der Athener Innenstadt vor Demonstranten schützten. Hier schützen Staatsorgane unter Androhung von Gewalt Sachwerte - offensichtlich die eigentlichen Werte, für die die meisten westlichen Gesellschaften stehen: für das Primat der Marktwirtschaft und ihren Symbolen, den mit Weihnachtsdekos vollgemüllten Innenstädten als Konsumanimation. Die Polizisten schützen diese 'Werte' vor Menschen, von denen viele ihre Jobs und für die nächsten Jahrezehnte wohl auch ihre Zukunft verloren haben.
Mona Vatamanu / Florin Tudor
Warum dieses Bild - ohnehin unscharf durch die Übertragung von TV-Bild auf Foto - als Motiv in einen Synthetikteppich eingewebt und dadurch fast völlig unkenntlich gemacht wurde, wird nicht schlüssig.  Denn das Bild enthält eine scharfe Aussage und beschreibt das Absurde einer abstürzenden Konsumgesellschaft, wie man es kaum besser treffen könnte. Umso konkreter wirkt dann der mit Abfall geschmückte Weihnachtsbaum als Installation neben dem Teppich, der aber eigentlich überflüssig ist. Hier vertrauen Künstler offensichtlich nicht auf das Wesentliche einer Aussage, die durch zusätzliche Bebilderung - ähnlich verfehlt wie bei dem Zitat von Benjamin - nichts an Schärfe oder zusätzlicher Information gewinnt.
Unklar bleibt auch die große Rauminstallation, der ganz mit ephemeren, lose herunterhägenden Stoffbahnen ausgefüllt ist. Angenehm wirkt die Ruhe und das Lichtdurchflutete, was eine - vom Inhalt böser kapitalistischer Verwerfungen in den Zeiten nach 9/11 und Banken-, bzw. Schuldenkrisen - irgendwie unbefleckte Atmposphäre ausstrahlt. Ohne Bezug dazu stehen zwei kleine Fernsehgeräte im Raum und zeigen Schwerverständliches, aber irgendwie Bedeutungsvolles. Ambitioniert sind die Aufnahmen von Plattenbausiedlungen und die vom Flieger abgeworfenen leeren Blätter über trostlosen Wohngbieten. Man ahnt, dass etwas gemeint ist und mit viel Aufwand umgesetzt wurde.
Mona Vatamanu / Florin Tudor
Bilder von Städten wie Brasilia und unbekannten Orten - vermutlich aus Osteuropa-  ziehen an einem vorüber. Urbanität ist das Stichwort, mit dem man hier ein bisschen linkisch hantiert und liest ratlos dazu im Beiheft:
"Im Zentrum der Ausstellung 'Revolutie' steht eine eigens für diese Räume konzipierte Installation. Sie spielt auf den Wandel von Wertesystemen durch das Aufbegehren nachfolgender Generationen an und auch hier wird die gesellschaftliche Ohnmacht als Situation für potentielle Interventionen vorgeschlagen."
Kopie einer unbekannten Kinderzeichung
Unvermutet belohnt für diese kryptischen Ausführungen wird man, wenn man die Ausstellung verlässt. Am Treppenaufgang hängt etwas, was man erst übersehen hatte: eine mit Tesafilm beiläufig angeklebte Kinderzeichnung. Sie ist das Authentischste in dieser Ausstellung und bedarf keiner Erklärung und wird auch nicht im Beiheft erläutert, außer dass es sich um die Kopie einer Zeichnung handelt, die auf einer Straße in Madrid gefunden wurde.

Alle Fotos von Ina Zeuch

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen