"Kulturschnitte" oder "Kultur schneidet" - so wäre die Übersetzung des Ausstellungstitels im Musée d'art contemporain in Marseille, die noch bis 28. August zu sehen ist. Sie zeigt eine umfassende Einzelausstellung des südkoreanischen Künstlers Cody Choi, dem diese museale Präsenz bereits 2015 in der Kunsthalle Düsseldorf zuteil wurde. Dort heißt es zu ihm:
"In Beziehungen zu Michelangelo, Auguste Rodin, Marcel Duchamp oder Gerhard Richter übernimmt Choi westliche Kunstwerke und damit bereits formulierte Haltungen, um sie im Sinne der Appropriation Art neu zu definieren."Berühmte, allseits bekannte Schlüsselwerke der bildenden Kunst verwendet Cody Choi, indem er sie mit lapidaren Kommentaren versieht, die suggerieren, koloniale und postkoloniale westliche Vereinnahmung sei mit den Kunstwerken fremder Kulturen ebenso verfahren. Das allerdings kommt ziemlich plump daher - hier einer der "worst cases" aus der Ausstellung:
"Episteme Sabotage - Sale for White Only", 2014 |
Epistem heißt vereinfacht übersetzt 'wissenschaftlich' - Aristoteles verwendet den Begriff episteme als Abgrenzung zum praktischen Können, der techne und meint damit ein eher theoretisches Wissen. Episteme und techne
sind zwei der fünf Grundhaltungen der Seele, die wir nach Aristoteles
benötigen, um das Richtige erkennen zu können. Damit suggeriert Cody
Choi, dass wir durch ihn eine Richtigstellung zu den Kulturwerten
bekommen, die den westlichen Bilderkanon ausmachen - eine
"episteme/wissenschaftliche Sabotage" also mit der simplen, wenngleich
provokativen These: "Sale For White Only".
Dabei verläuft der Ausschluss von Menschen nicht entlang von Rassen, sondern
zwischen Arm und Reich. Schon die Sklaven aus Afrika schieden sich
selbst in Afrikaner und diejenigen, die bereits in Amerika geboren
wurden, ganz einfach weil letztere privilegiertere Sklavenjobs bekamen
und so die Trennung zwischen sich und den 'anderen' internalisierten -
ebenso wie die Afro-Amerikaner, die als Lohnarbeiter in die Städte wie
Detroit oder NYC zogen und sich mit den Schwarzen ihrer Herkunft nicht
mehr identifizierten, weil diese sich weiterhin als Tagelöhner auf den
Feldern der Südstaaten durchschlugen. Rasse und Religion sind nur der Vorwand dafür, gesellschaftlichen Reichtum
unter möglichst wenigen aufzuteilen und den Begriff der Kultur als elitäres Ausschlussverfahren für sich
zu reklamieren.
Aber zurück zur Ausstellung und weiter im 'Sabotagetrott' durch die Kunstgeschichte - lassen wir uns belehren von einem, dem zugestanden wird, möglichst beleidigend westliches Kulturgut zu kommentieren und dafür von der Kunstszene gefeiert wird. Vielleicht müssen wir uns das Bashing einfach gefallen lassen, weil es unser Gewissen beruhigt für die Schandtaten des Kolonialismus, was so natürlich nur von den Nachgeborenen zelebriert werden kann.
"Episteme Sabotage - Old Cow", 2016 |
Aber zurück zur Ausstellung und weiter im 'Sabotagetrott' durch die Kunstgeschichte - lassen wir uns belehren von einem, dem zugestanden wird, möglichst beleidigend westliches Kulturgut zu kommentieren und dafür von der Kunstszene gefeiert wird. Vielleicht müssen wir uns das Bashing einfach gefallen lassen, weil es unser Gewissen beruhigt für die Schandtaten des Kolonialismus, was so natürlich nur von den Nachgeborenen zelebriert werden kann.
"Episteme Sabotage - Fuck, Episteme Sabotage - Ho", 2014 |
Zu den Privilegierten gehört nun auch Cody Choi und nur als solcher kommt er überhaupt in die Position eines vom Kunstmarkt wahrgenommenen Kritikers westlicher Kultur. Dabei scheint es für nicht-europäische Künstler eine Art Must zu sein, sich kritisch gegenüber dem Postkolonialismus zu geben - eine eigens für sie vorbereitete Rolle im Kulturbetrieb, sozusagen als 'authentische' Stimme, mit der man sich solidarisiert. Denn solidarisieren tut nicht weh und fordert nichts. Dabei werden die postkolonialen Konzepte schon längst von afrikanischen oder asiatischen Eliten durchgeführt als erfolgreiches Rezept für den Ausschluss der eigenen Bevölkerung vom gemeinsam erwirtschafteten Reichtum. Diese Mechanismen der Gier im erschreckenden Siegeszug neoliberaler Ideologien rassenübergreifend nachzuspüren und als kulturelle Schnittstelle, als tatsächlich schneidend und scheidend zu diskutieren, wäre wirklich kritisch. Das aber wäre vermutlich weit weniger erfolgreich, beißt man doch nicht die Hand, die einen füttert.
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