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Do You Copy" - absichtlich ohne Fragezeichen - so hieß die ambitionierte Gruppenausstellung im
MoCA Museum of Contemporary Art, die bis 5. Januar 2020 zu sehen war. An ihr nahmen 14 KünstlerInnen, zwei Künstlerteams und das
Fashion Department der School of Design der
East China Normal University mit Sitz in Shanghai teil und warb mit einem Plakat, auf dem ein prächtiges Blumenbouquet in den Weltraum schwebt.
Do You Copy sollte laut dem Intro auf der Webseite des MoCA von den Ausstellungsbesuchern selbst beantwortet werden: "
Do You Copy? If you did, please answer!" und wurde mit einer weiteren Frage verknüpft:
"Do you come from Heaven or rise from the Abyss?"
Das alles bleibt rätselhaft. Aber gleich am Eingang der
Ausstellungshalle wurde man direkt mit dem
Eycatcher der Schau, dem
schwebendem Blumenbouquet im Weltraum empfangen. Minutiös und langwierig zeigt der
japanische Künstler
Azuma Makoto in
seiner Videoarbeit, wie er auf dem Markt die Blumen dafür aussucht,
wie er sie in sein Atelier transportiert, wo sie kunstvoll von ihm und seinem Team
gebunden werden und schließlich - ebenso ausführlich - zu einem Hangar
gebracht und dort in die Luft befördert werden. Das langsame Schweben
des Bouquets in die Lüfte hätte durchaus gereicht und dem Kunstwerk die
Magie belassen, die es anfänglich durch das Plakat
ausgestrahlt hatte. Aber zusätzlich wird dieses wandfüllende Video noch
einmal in einzelnen kleinformatigen Fotoabzügen als Fries gezeigt.
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Azuma Makoto: "Exobiotanica -Botanical Space Flight " |
Schade, dass Leonardo da Vinci seine weitaus mühseligeren und wissenschaftlich bedeutenden Vorbereitungen für seine Zeichnungen der menschlichen Anatomie, dem heimlichen, weil strafbaren Sezieren von Leichen bei Kerzenschein nicht ebenfalls als Video und in Fotos vermarkten konnte. Er würde ganze Museumshallen in aller Welt damit gefüllt haben können. Der Poesie der floralen Grüße in den Weltraum kann man sich trotz der mehrfachen Ausschlachtung der Bilder kaum entziehen.
Zwei weitere große Videoarbeiten, beide von Kiyomi Kobayashi, ebenfalls aus Japan, dominierten die Eingangshalle der Ausstellung:
"The Mask" und
"The Story of geisha". "The Story of geisha" geht auf eine wahre Begebeneit der unglücklichen Liebe einer Geisha im Kyoto 1872 zurück, die im Suizid endet und in symbolisch aufgeladenen, märchenhaften Bildern erzählt wird. Die Darstellung vom historischen Japan passen dabei in jedes Klischee über dieses Land.
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Kiyomi Kobayashi: "The Story of geisha" |
Dabei lässt er fast unmerklich aktuelle Bilder miteinfließen. Vermutlich geht es ihm auch um die Stimmung im
heutigen Japan. Durch die historische Liebesgeschichte hindurch vermittelt sich eine tiefe Melancholie und Todessehnsucht, die er auf das moderne Leben in seinem Land zu spiegeln scheint. Der minutenlang abgefilmte Sturz einer Puppe aus einem Hochhaus scheint wie ein Symbol für ausweglos empfundene Vereinsamung zu sein, wie sie über Japan immer wieder berichtet wird.
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Kiyomi Kobayashi: "The Story of geisha" |
Das zweite Video von Kobayashi -
"The Mask" - datiert Tokyo im Jahre 2192. Eine künstliche Geisha wird hergestellt, vielleicht jene, die im Video
The Story of geisha vom Hochhaus fällt. Die Parallelen zu Fritz Langs
Maria in seinem Film Metropolis von 1926, noch mehr aber zum
Videoclip von Chris Cunningham zu Björks Song
All is Full of Love sind evident
. Offensichtlich hat das Motiv des künstlichen Menschen noch zu keiner Neuschöfpung dieses Themas seit Fritz Lang gefunden.
In der überwiegend von Videos und Installationen geprägten Schau, deren Werke sich fast alle bemühten, kosmische und futuristische Imaginationen aufwändig in Szene zu setzen, fielen wie immer die Außenseiter auf. Hui Tang überzeugt mit seiner Bilderserie im schnöden Medium der Malerei auf Leinwand, die er "The Antenna Monument Series" nennt.
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Hui Tang: The Antenna Monument Series |
Dabei lässt er sich von
Satelittenschüsseln und
GPS-Antennen inspirieren und greift sie wie surreale Gebilde auf - eine Symbiose aus Fantasie und bereits Wirklichkeit gewordener
Science Fiction. Ironisch setzt er dabei den Menschen ins Zentrum, der sich hier selbst ein Denkmal als Herrscher über die Welt setzt. Sie erinnern in einigen der Bilder auch an die Heldendenkmäler im Stil des sozialistischen Realismus, wie man sie in China häufig zu sehen bekommt.
Spannend sind auch die Bilder und Objekte von
Ni Youyu, der im Oktober 2019 in einer großen Einzelshau in Shanghai zu sehen war.
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Ni Youyu: "Epidermis" |
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Ni Youyu: "Solar System 3", " Icy Moon" |
Die Verschränkung von Fiktion und dokumentarischem Material - das war ein wesentlicher Aspekt des Ausstellungskonzepts. Diese Symbiose wurde in der raumfüllenden Projektion der
German Cosmo Fashion Show deutlich, die den
Universal News von 1967 der
Library of Congress entnommen wurde und damit eindeutig keine künstlerische Arbeit, sondern ein historisches Dokument ist. Rätselhaft aber bleibt, was eine
Cosmo Fashion Show ist. Wo in Deutschland hat sie stattgefunden? Und warum ist sie in der
Library of Congress aufgenommen worden, wo sie über die Suchfunktion nicht zu finden ist? Oder ist der Titel
fake und gibt nur vor, dokumentarisch zu sein? Ein Künstler für diese Präsentation wurde jedenfalls nicht genannt.
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German Cosmo Fashion Show, Universal News 1967, Library of Congress |
Eindeutig dokumentarisch ist dagegen die Fotoserie von Yangun Peng mit seiner
"Aircraft Series", die er auch
als Lightshow zeigt, die den Grund für sein Interesse an Kampfhubschraubern und Flugzeugen der Luftwaffe nicht wirklich erhellen.
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Yangun Peng: "Aircraft Series" |
Ebenso verifizierbar historisch ist die sogenannte Weltmaschine, ein astronomisches Gerät, das zur Darstellung der Bewegungen von Himmelskörpern dient, das der Künstler Zaeyo benutzt. Dieses Modell, das aus mehreren gegeneinander drehbaren Metallringen besteht, die insgesamt die Form einer Kugel bilden, hat er von allen Seiten abgefilmt und lässt dazu Beethovens Klaviermusik "Für Elise" abspielen - so einfach kann Kunst sein.
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Zaoeyo: The Most astounding Fact |
Eine weitere, wesentlich tiefgündigere Arbeit ist Zaoeyos Video
"Different Angles". In ihr zeigt er sorgfältig beobachtete, urbane Alltagswirklichkeit. Die architektonischen Strukturen von Industriezentren und verdichtetem Wohnen in den Megacities werden in verschiedenen Perpektiven gefilmt und wird durch das Streunen einer Katze als einzig lebendiges Wesen noch öder. Wie mit einem Alter Ego streunt man mit ihr durch die teils verwahrlosten, seelenlosen Szenerien einer Großstadt.
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Zaeyo: "Different Angles" |
Ganz anders ging es in der zweiten Etage weiter: Dort zeigte das Department der School of Design der East China Normal University Modelle von Kleidern in Verbindung mit ausgefallenen Materialien in hippen Installationen und Videos, die sowohl farbenprächtig als auch höchst fantasiereich den freien Künsten durchaus den Rang ablaufen können.
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Fashion Department. School of Design: "Symbiosis" |
"In Do You Copy, we hope to erase distinctions between artistic creations
and immerse the viewer in a world without borders. Incorporating
materials from the worlds of fashion, film, music, and illustration, Do
You Copy aims to showcase human imagination about the future in
different media and in different spaces and times."
Damit wird der Titel der Ausstellung nicht unbedingt verständlicher. Und auch beantworten kann ich die Frage ohne Fragzeichen nicht. Aber sie zeigt, wie ambitioniert die Kunstszene Shanghais ist und genau wie hier im Westen vom 'Kuratorensprech' überfrachtet wird.
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Blick in die Ausstellung |
Alle Fotos aus der Ausstellung von Ina Zeuch im November 2019, Shanghai
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