Ascan Breuer: "Paradise Later" (2010)
Foto: wikimedia "Slumlife" Jakarta, von Jonathan McIntosh (2004) |
Ascan Breuer's Film ist eine Art Basismaterial für ein Doku-Feature, wie sie im Fernsehen manchmal zu sehen sind. Ein Flussufer – über und über mit Müll versehrt - wird abgefilmt. Aber nichts wird erläutert, kein 'neutraler' Beobachter, der die Bilder kommentiert und uns erklärt, was wir sehen und welche Fragen hier zu klären sind.
Wer offenen Auges schon einmal in Schwellenländern - hier in Indonesien - gereist ist, ahnt, dass dort die Ärmsten der Armen leben, die später im Film auftauchen: Fischer, die auf vermutlich entsorgten LKW-Schläuchen auf dem Ciliwongfluss paddeln und Müll fischen, diesen durchforsten und wieder verwerten.
Jedes Auftauchen eines Weißen mit westlichem Technikequipment ist hier schon ein tiefer Eingriff in den persönlichen Lebensraum dieser Flussbewohner, die wie alle armen Menschen auf der Welt praktisch so gut wie keine Privatspäre haben - weswegen es viel einfacher ist, Armut als Reichtum zu thematisieren.
Foto: wikimedia "Slumlife"-Jakarta, von Jonathan McIntosh (2004) |
An den morastigen Uferböschungen befinden sich ihre Hütten, unweit entfernt ahnt man die Stadt. Aber die Slums, die sich an diesem stinkenden Fluss erstrecken, sind tiefer gelegt, sozusagen im basement des sozialen Gefüges und für einen normalen Flaneur kaum sichtbar. Statt einer Stimme aus dem Off begleitet der Text von Joseph Conrad’s “Herz der Finsternis“ die Bilder.
Diese fundamentale Zivilisationskritik, die ein Handlungsreisender während seiner Reise auf dem Kongofluss entwickelt, beschreibt erst den Anfang des raubkapitalisitischen Kolonialismus. Auf Ascan Breuer’s Flussreise in Jakarta sind wir am Ende – ist es das Ende? - des Turbokapitalismus angekommen, in dem die Regierungen und Eliten der Schwellenländer ihre Lektion längst gelernt haben und die eigene Bevölkerung marginalisieren und sie entlang ethnischer und religiöser Zugehörigkeiten neu selektieren.
Ein solches 'Selektionsprodukt’ zeigt “Paradise Later“: Ein ganzes Leben entfaltet sich hier an den Uferböschungen - ein Mann singt zur Gitarre, vor ihm sitzen Kinder und singen mit. Mit Müllsäcken beladene ausgemergelte Menschen, fast noch Jugendliche, aber schon auf dem Weg ins Greisenalter, entleeren die Säcke am Ufer. Unten paddeln bedächtig die Müllfischer, eine Gruppe von Jungs winkt enthusiastisch in die Kamera, Kinder planschen in der trüben Brühe. Fühlen sich diese Menschen überhaupt als Opfer?
Foto: wikimedia "Slumlife" Jakarta, von Jonathan McIntosh (2004) |
Was diesen Film angenehm aus der Masse des üblichen Betroffenenheitskults hervorhebt, ist die Perspektive von Joseph Conrad’s Romanhelden. Und das ist die des gequälten Europäers – also unsere. Es ist die Perspektive dessen, der weiß und sieht und es nicht zusammen bekommt, warum diese Menschen, die wir so ausbeuten, sich nicht wehren, der verfolgt wird von der Vorstellung, wann dieses Schweigen, diese Kraft der Demut und des Duldens endlich aufbrechen und welche fürchterliche Rache uns dann ereilen wird. Werden wir auf ewig davon kommen?
Denn immer geht es nur um uns, um die Klärung des eigenen Standpunktes, der eigenen Projektionen und Ängste, verpackt in ein Sprechen über den Anderen.
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