Donnerstag, 19. Juni 2014

Schwarz ist keine Farbe - Justine Gaga (1)

Justine Gaga, (geb.1974, Kamerun) wurde im Village de la Biennale, dem internationalen Teil  der 11. Biennale der Dak'art 2014 mit ihrer Installation "Indignition" prominent ausgestellt. Diese Ehre wurde nicht allen KünstlerInnen zuteil. Als "antropomorhe Gaskanister" werden ihre metallisch bunten Stelen aus Gaskartuschen im Biennale-Katalog beschrieben. Sie greifen damit auf einen in afrikanischen Haushalten üblichen Gebrauchsgegenstand zurück und stellen ihn hochpolitischen Schlagworten entgegen: Liberalismus, Nepotismus, Rassismus, Sexismus, Wahlen, Gewalt, Kapitalismus... Jeder dieser Begriffe wird so zum hochexplosiven Stoff. Die Oberfläche der Säulen, die ebenfalls aus dem Material der Gasflaschen besteht, reflektiert ein schillerndes, aber falschfarbiges, verzerrtes Spiegelbild, was die Aussage einer Welt aus den Fugen zusätzlich unterstützt. 

Justine Gaga mit ihrer Installation "Indignition" auf der 11. Biennale Dak'art 2014
"The world is racist, violent, sexist, so it is about to explode", heißt es im mitgelieferten Kommentar zu ihrer Arbeit, die vor der großen Halle im Village de la Biennale aufgebaut ist. "We have the leaders we deserve", sagt Gaga und schiebt damit keine Verantwortung ab, sondern macht jeden Einzelnen für den Zustand der Welt mitverantwortlich.
Im Gegensatz zu einer ganzen Reihe von afrikanischen KünstlerInnen - viele davon im westlichen Ausland ausgebildet und dort lebend - kapriziert Gaga sich nicht darauf, die Schuld für die politischen Miseren in Afrika der kolonialen Vergangenheit zuzuschreiben. Sie hat den afrikanischen Kontinent in vielen Künstleresidenzen in Togo, Mali, Ghana und Botswana kennengelernt. Sie spricht in ihrer Kunst von sich als Mensch, als politisch engagierte Künstlerin, von ihrer Einsamkeit und dem dornenreichen Weg, den man beschreitet, um KünstlerIn zu werden. Neben Mißachtung und oft totalem Unverständnis - vor allem einer Frau gegenüber - kommt der absolute Mangel an Förderung hinzu, der viele afrikanische KünstlerInnen zur Emigration treibt.
Um dem entgegen zu wirken, wurde 2010 Art Days als Ausstellungsmöglichkeit in Douala (Kamerun) gegründet, bei der auch Justine Gaga ihre Werke zeigen konnte. Gaga ist eine zutiefst in Afrika verwurzelte Künstlerin und ist doch frei von den Klischees afrikanischer Kunst mit Naturmaterielien, sattsam bekannten Abfallinstalltionen und pittoresken Werken, die Aspekte des aus der Not heraus improvisierten afrikanischen Alltags bebildern. Als ihren Mentor nennt Gaga den früh verstorbenen Künstler Goddy Leye und hat u.a. in der von ihm gegründeten Art Bakery wichtige Unterstützung erfahren. Dort wurde auch ihre Installation "Siége de la pensée" ("Sitz der Gedanken", 2010)  ausgestellt, die ebenfalls mit Texten arbeitet. Kleine beschriftete Schachteln hängen in dicken Trauben fragil von der Decke. Gaga hierzu:
"My work relates to loneliness. In the work 'Siége de la pensée' the string represents the fragility in which all people are; the boxes are the way human beings keep their thoughts and their memories. The boxes can be secret places; where no-one other than the person knows what is inside."
Ihre Kreidezeichnungen ohne Titel auf einer schwarzen Plastikplane zeigen eine empfindsame Bildsprache, die man nach der Begegnung mit der plakativen und lauten Installation von "Indignition" nicht vermutete hätte. Wenn sie damit zitiert wird, Etiketten zu hassen, dann macht ihr Politjargon in "Indignation" diese Behauptung wenig glaubwürdig - ganz im Gegensatz zu ihrem ambivalenten Künstlernamen Gaga: Diesen hat sie bewusst als 'asexuell, enigmatisch und geisterhaft' gewählt und unterläuft damit eine ganze Reihe von Kategorien, u.a. der Attitüde des intellektuellen Künstlers, der mehr weiß und zu sagen hat, als andere. Die Künstlerin gibt dem Understatement dieses Ausdrucks eine neue Bedeutung: Gaga heißt ähnlich wie im Deutschen auf französisch so viel wie senil, vertrottelt, kindisch, aber auch verrückt. 

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