Sonntag, 29. Juni 2014

Schwarz ist keine Farbe - John Akomfrah (2)

Ausschnitt aus dem Video "Peripeteia" von John Akomfrah
John Akomfrah (geb. 1957 Ghana/Großbritannien) wurde auf der Biennale von Dakar so prominent wie kein zweiter Künstler vorgestellt. "Peripeteia" heißt sein Beitrag, der auf einer eigens für ihn gemauerten, halbrondellartigen Leinwand gezeigt wurde. Über zehn Meter Länge und einer Höhe von über zwei Metern hätte diese Präsentation einer Leinwand im kinoverliebten Indien alle Ehre gemacht. Aber was man zu sehen bekommt, unterläuft natürlich alle actionmäßigen Kinoerwartungen, weil es sich hier um Kunst handelt. Statt dessen entfaltet sich die unwirtliche Schönheit einer nordischen Landschaft in Panoramaufnahmen von epischer Breite, die das Format durchaus zu füllen vermögen.
Das ist das eine große Thema von Akfromah. Derartige Landschaften und vor allem die Anstrengung beim Bezwingen ihrer Kargheit und Kälte sowie die isolierte Existenz des Einzelnen - bei ihm fast ausnahmslos Schwarze -  kommen in vielen seiner Werke vor wie in "Testament" oder "The Call of Mist". Sie verströmen eine getragene Melancholie, in der man sich wohlig einrichten kann.

Dürer's Zeichnung im Film "Peripeteia" von John Akomfrah
Interessant ist in "Peripeteia" noch eine andere Konstruktion, die von zwei im Film gezeigten Portraits des Malers Albrecht Dürers ausgeht. Dieser hat im 16. Jahrhundert zwei Afrikaner portraitiert und sie auf meisterliche Weise als lebendige Individuen festgehalten. Akomfrah versucht nun, diese fiktiv in Szene zu setzen und ihnen eine Geschichte zu geben. Das aber gelingt ihm nicht. Vielmehr skizziert er die beiden afrikanischen Protagonisten in leidenden Posen, die in Vereinigung mit der weiten, menschenleeren Landschaft noch überhöht und in vielen Varianten wiederholt wird. Das ist nervig gefühlig und man kann sich eines diffusen Schuldgefühls - gerade als westlicher, respektive weißer  Betrachter - nicht erwehren.

Weibliche Hauptfigur aus dem Film "Perepiteia" 
Wenn aber mit diesem 'Spielfilm' ohne Handlung gezeigt werden soll, dass die Geschichte dieser beiden für immer verloren ist, dann müsste man konkret werden und käme dabei kaum umhin, seine Aussagen zu politisieren. Videos von Marc Boulos "All that is solid melts into the air" oder Ascan Breuer's "Paradise Later" mögen hier als Beispiele dienen. Das aber vermisst man bei John Akomfrah, der sich lieber in der europäischen Geistesgeschichte verortet. Denn sein Film greift nicht nur auf Dürer zurück, sondern verwendet auch Bildausschnitte von Hieronymos Bosch, einem Zeitgenossen Dürers - Darstellungen von schwarzen Menschen aus seinem "Garten der Lüste".

Ausschnitt aus Hieronymus Bosch's "Garten der Lüste" in "Peripeteia" 
Der Titel 'Peripeteia' (Umsturz, Lösung des Knotens, dramatischer Wendepunkt) bezieht sich auf Aristoteles' Tragödientheorie als wichtigstes Momentum der dramatischen Handlung, wie er zum Beispiel im Schicksal des Ödipus zum Ausdruck kommt. Neben der meisterlichen, wie Gemälde sich entfaltenden Bilder ist die Sinnebene von "Peripetaia" nur mit eheblicher Vorkenntnis zu verstehen. Zudem verrätselt Akomfrah den Sinn noch um ein Weiteres mit Boschs Bildern, dessen "Garten der Lüste" selber bereits ein einziges Rätsel ist.

Ausschnitt aus Hieronymus Bosch's "Der Garten der Lüste" in "Peripeteia"
Ganz den Erwartungen entspricht dagegen das Auftauchen dokumentarischer Fotos aus der Zeit der Sklaverei, ahnt man doch, dass starke Bilder aus der Geschichte sowie der europäischen Kunstgeschichte hier wesentliche  Stilmittel sind.  Und diese vermitteln genau das Gefühl, um das es sich hier hauptsächlich zu drehen scheint: Hilflosigkeit, Scham, Befangenheit gegenüber einer Geschichte, die nicht mehr zu ändern ist. Wie die Auswirkungen von Geschichte in einer postkolonialen Weltordnung zu ändern oder auch nur zu benennen wären, ergäbe wohl den weitaus interessanteren Film.

Foto afrikanischer Sklaven aus dem Film "Peripteia"
Diese Art von name dropping (Bosch, Dürer, Aristoteles) zusammen mit der meisterlichen Fotografie des Films blendet und hält die BetrachterInnen so länger in Bann, als es sich schon aufgrund der aufwändigen Präsentation wohl um wichtige, zeitgenössische Kunst handeln muss - geben doch die KuratorInnen von solchen Großevents immer eine Rangordnung mit, von der man sich besser freimacht. Einem kritischen Betrachter, der die Kunstevents auch mal gegen den Strich bürstet, zeigt diese Vorgehensweise jedoch vor allem den (Still-)Stand der Diskussion: So will es wohl die westlich geprägte Kunstwelt unisono mit den afrikanischen Eliten - viel bildungsbeflissenes Gefühl und großes Pathos-Kino gegenüber dem Thema Rassismus, bei dem man lieber nicht aktueller wird oder gar zu einer Position kommt. Dem kann man immerhin abgewinnen, dass die dramatischen Bilder von Flüchtlingen aus aller Welt hier nicht mit verwurstet werden.

Tatsache aber bleibt, dass bei der Eröffnung der Dak'art im Village de la Biennale nur wenige Ausstellungsbesucher diesen Film lange anschauten und danach eher ratlos als betroffen davon schlenderten. Vor einem überwiegend afrikanischen - und das heißt hier einem kunstinteressierten, intellektuellen und vor allem jungen  Publikum - entfaltet die Wirkung dieses Films eher höfliche  Langeweile.

Alle Fimstills von Ina Zeuch

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