Freitag, 5. September 2014

Schwarz ist keine Farbe - Wangechi Mutu (6)

Ähnlich wie Künstlerinnen es ablehnen, dass sie weibliche Kunst, also so etwas wie 'Frauenkunst' produzieren, lehnen viele afrikanische KünstlerInnen es ab, explizit 'afrikanisch' zu sein - auch um der postkolonialen Zuordnung sowie dem romantisch verbrämten, positiven Rassismus einer vermeintlich ursprünglicheren oder gar animistischen Kunst zu entgehen. Dies ist eine Serie zu Werken von Künstlern mit afrikanischen Wurzeln, die teils in Afrika, zu einem großen Teil aber auch in Europa und den USA arbeiten oder der Diaspora angehören. Ich stelle hier zunächst KünstlerInnen vor, die ich auf der Dak'Art Biennale von 2014 kennenlernte und deren Werke ich vor Ort fotografiert habe. Eine Besprechung der In- wie der Off-Biennale (2) wurde auf epo (Entwicklungspolitik online) veröffentlicht.
Videostill aus "The End of eating Everything" von Wangechi Mutu
Wangechi Mutu (1972, Kenia/USA) ist in den USA längst keine Unbekannte mehr. Ihre museale Präsenz dort ist überwältigend und die Preise für ihre Arbeiten steigen ständig. In Deutschland wurde ihr Werk erst kürzlich als Künstlerin des Jahres 2013 von der Deutschen Bank Berlin gekürt und mit einer Einzelausstellung im Museum Deutsche Guggenheim Berlin prominent in Szene gesetzt.
Ihr Video "The End of eating Everything", das auf der Biennale von ihr zu sehen war, ist verstörend wie fast alle ihre Arbeiten. Ein medusenartiger Kopf ragt vom rechten Bildrand in eine trübgrüne Brühe. Schwarze Vögle kreisen an einem verschlammten Himmel wie Todesboten und werden von ihr gefressen, Butrinnsel bleiben zurück und durchziehen das verschmutzte Grün. Nach und nach  wabert auch der Leib der 'Medusa" immer mehr ins Bild, ein unförmiges Knäuel aus Abfall, undefinierbaren Zivilisationsresten und demolierten Autos mit heraushängenden Körpern.
Videostill aus "The End of eating Everything" von Wangechi Mutu
In lasziver Langsamkeit nimmt dieser unförmige Allesfresser-Leib das ganze Bild ein, bis nur noch diese schmerzlich aufgeblähte Form existiert. Der Kopf aber - nun im Verhältnis zum Körper geschrumpft - ist dem Bild entglitten. Dann wechselt die Szenerie und wird ganz von einem luziden Azurblau eingenommen, in dem schwerelos abgeschnittene Frauenköpfe schweben - sie sind die verfielfachte Version des 'Medusakopfes'. Der Biennale-Katalog kommentiert Mutu's Arbeit wie folgt: 
"The End of eating Everything" is a title that refers to the she-creature's eventual self-implosion as a result of eating literally everything. Driven by culture with the axiom that the creature is her own demise. The creature serves as a metaphor for what can happen to our planet and to ourselves through greed and wastefulness.
Videostill aus "The End of eating Everything" von Wangechi Mutu
Die rasante Karierre Wangechi Mutus, bei der teilweise sämtliche Arbeiten bei den Ausstellungen verkauft werden, lässt rätseln, was westliche Kunstkonsumenten wohl dazu treibt, in derartige Begeisterung zu verfallen - ein Publikum, das so schwer zu gewinnen und so überfüttert ist mit hochkarätig angepriesenen Events, stets mit medialer Wucht vor- und nachbereitet. Schön und schrecklich oder "So grausam kann Glamour sein"- wie es der Spiegel angesichts der Ausstellungsbesprechung im Museum Deutsche Guggenheim titelt - ist sicher eine Kombination, die 'zieht'. Eingebettet von Wiedererkennbaren - Fotos aus Modemagazinen, die zu einem Knäuel aus Hochglanzschnipseln zu Frauenleibern zusammencollagiert sind - ergibt sich ein Exotismus, der an die westliche Bilderwelt 'andockt' und doch eine andere Bildkutur ahnen lässt. Hinzu kommt, dass Frauen als Thema in der Kunst - egal welcher Sparte - bis heute niemals ihre Faszination verloren haben. Die Frau gilt immer noch als unergründliches Rätsel, eine Projektionsfläche par excellence, der Mutu in zahlreichen ihrer Collagen nachspürt. Kommen diese Bilder von einer Frau, die selbst attraktiv und zudem noch Afrikanerin ist, steigt sowohl der Authentizitätswert als auch der exotische Kick erheblich. All das kommt bei Wangechi Mutu zusammen, ohne dass ihre  künstlerische Leistung damit abgewertet werden soll. Es bleibt zu hoffen, dass ihr Werk weiterhin innovativ bleibt und den Markt, den sie im Sturm erobert hat, nicht einfach nur mit den oben beschriebenen Kategorien bedient.

Hier noch ein kurzer Auszug aus ihrem Video:

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