Sonntag, 24. Mai 2015

(1) Kunstszene Mumbai: Rana Dasgupta in der Galerie Chatterjee & Lal

Mumbai brummt: Als Kunstmetropole neben denen von Kalkutta oder Delhi bietet sie neben vielen ambitionierten Ausstellungen auch einige Events, wie das Kala Ghoda Art Festival oder das Fokus Photography Festival. Darüber habe ich hier und auf dem MediaWatchBlog bereits berichtet. Eine erste Galerieausstellung habe ich - noch während ich in Indien war - veröffentlicht. Hier möchte ich die letzte der fünf Ausstellungen aus Mumbai vorstellen.
Schlicht "Reality" titelte die umtriebige Galerie chatterjee & lal die Fotoausstellung des britisch-indischen Schriftstellers Rana Dasgupta  vom 13. März bis 11. April diesen Jahres, galt doch die Fotografie lange Zeit als Medium der Dokumentation von Realität. Diese Vormachtstellung wurde allerdings immer wieder erschüttert, zuletzt durch die gefakten Kriegsfotos aus den Jugoslawienkriegen.
Rana Dasgupta: "Veneration" (Ausschnitt)
Eine Fotoausstellung mit "Reality" zu titeln, kann deshalb nur in der Haltung  kritischer Ambivalenz eingenommen werden. Offensichtlich geht es hier mehr um die berühmte "gefühlte" Realität, also um eine Empfindung, einer subjektiven Wahrnehmung, die als Foto einzufangen oder zu komponieren viel schwerer ist als für die ohnehin im Fiktiven angelegte Malerei.

Unter dem kryptischen Titel "Like Reality, Except Real I - XIV" als Auftakt der Ausstellung zeigt Dasgupta diese subjektive Wahrnehmung mit einer Serie kleinformatiger Fotos und Fotodiptychen, mit der er in seine skurile Weltsicht einführt. Sie zeigt banale Auschnitte und Details aus alltäglichen Begebenheiten, die höchst assoziativ interpretiert werden.

Rana Dasgupta:"Penal Instruments for ghosts.(1)The.gallows.(2)The.rack"

Die Titel sind - Dasgupta nennt sie Texte - so wichtig wie die Bilder selber. "The mythic flow of 'reality' " beschreibt die Galerie seinen Ansatz zum komplexen Begriff der Realität. Die Zufallskonstellationen, die Dasgupta ablichtet und bechreibt, werden zu kleinen Rätseln, die Fragen aufwerfen, die teils auf eine kindliche Weltsicht wie auf eine menschheitsgeschichtlich weit zurückliegende Ära verweisen.

Hier wie dort ist die Welt nicht rational kategorial zugeordnet, sondern magisch aufgeladen und mehrdeutig. Kleiderhaken in einem nüchtern verschwommenen Flur werden zu Galgen, ein verwaistes Plastikgitterteil wird zum Gestell und beide zu Strafwerkzeugen für Geister. Eine vor sich hinträumende, verselbstständigte Dingwelt als Spielfeld für die Fantasie, deren unlogisches Geflirr von Assoziationen für Dasgupta so real sind wie das, was man nüchternerweise unter Realität versteht. 
Rana Dasgupta:"Please take care.The street is easily wounded" (Ausschnitt)

Das weiße Schaumgebilde am Straßenrand wirkt in der Tat verletzlich. Dasgupta's Fantasie macht daraus eine leicht verwundbare Straße, die man behutsam betreten sollte. Hier stellt sich die Frage, ob Dasgupta diese und vielleicht auch andere Merkwürdigkeiten vorgefunden oder sie als minimalistische Eingriffe in die 'Realität' abfotografiert hat. Obwohl das dem Hinterfragen, was Realität sei, keinen Abbruch tut, da er ja damit wiederum Realität herstellt, wäre das doch irgendwie entzaubert - zu sehr Kunst - wie eben eine Überraschung, die geplant wurde und sich nicht von selbst ereignet hat.

Rana Dasgupta: "Eleven Seconds" (aus der Serie I - IX)
Richtig ans Eingemachte eines hartgesottenen Realitätsbegriff geht es in seinen großformatigen Fotos an roten Wänden. Ekstatischer Sex in verzerrten, verschwommenen Bildern mit subjektiver Kamera  sind hier in fleischliche Stills gebannt. Sie konterkarieren die übliche Ästhetik von sinnlicher Liebe oder gar bekannt pornografischen Darstellungen. Vielmehr strahlen sie eine große Verletzlichkeit aus, eine animalische Menschlichkeit jenseits romantisch verbrämter körperlicher Liebe oder der Plattheit von Pornos als Masturbationsvorlagen. Angestrengt und teils verstörend häßlich wie die verzerrten Porträts von Francis Bacon kommen einem die Szenen nahe, was im prüden Indien umso provokativer sein dürfte - selbst im oft als Sündenpfuhl bezeichneten Mumbai.


Rana Dasgupta: "Eleven Seconds" (aus der Serie I - IX)
"Pornography, perhaps the ultimate photography of the 'real', can paradoxically deliver none of the reality of sex - until wie slow down the camera and view it capsules of clotted time.Then we see the hellish truth of the erotic: true animal forms erupt from human impostors, and desire is transubstantiated into heat and light."   

Rana Dasgupta: "Eleven Seconds" (aus der Serie I - IX)

Alle Fotos aus der Ausstellung von Ina Zeuch

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