Sonntag, 3. Mai 2015

(3) Kunstszene Mumbai - Samanta Batra Mehta in der Sakshi Gallery

Mumbai brummt: Als Kunstmetropole neben denen von Kalkutta oder Delhi bietet sie neben vielen ambitionierten Ausstellungen auch einige Events, wie das Kala Ghoda Art Festival oder das Fokus Photography Festival. Darüber habe ich hier und auf dem MediaWatchBlog bereits berichtet. Eine erste Galerieausstellung habe ich - noch während ich in Indien war - veröffentlicht. Hier möchte ich fünf weitere Ausstellungen mit ihren Künstlern vorstellen.
Samanta Batra Mehta: “Memory Box Series”
Nostalgie weht einen an in jeder Arbeit von Samanta Batra Mehta in der Sakshi Gallery, die der Künstlerin bis Ende Februar 2015 eine Einzelschau in Mumbai widmete. Unter dem Titel: “A Journey of Secrets“ zeigte sie Zeichnungen, Objekte und Fotomontagen.
“Memory Boxes“ verbindet Glasflakons – ehemals Parfüm- und Medizinfläschchen – mit roten Scherenschnitten auf schwarzem Grund. In einem Vintagemodell eines Kosmetikkoffers entfaltet sich eine geheimnisvolle Miniaturwelt: Pagodenartige Tempel als Scherenschnitte, Phantasiepflanzen, die selbst wieder aussehen wie kleine Tempel und Segelboote in der Ferne – das alles in rot auf schwarzem Grund.  In der Mitte des Koffers eine irgendwie indisch anmutende Gottheit, die bei näherem Hinsehen eine kleine Tänzerin im Tütü ist. Das alles wirkt wie nostalgisch konservierte Relikte aus Kindertagen.
Samanta Batra Mehta: “Voices of my Silence”
Ein weiteres Vintageobjekt, das die Künstlerin mit applizierten Zeichnungen ornamentiert hat, ist die Skulptur aus drei alten Kofferradios, die sie zu einem Turm gestapelt hat. “These interventions serve to re-contextualize Mehta’s chosen subjects, unfolding their metaphoric potential as well as ascribing them with alternate meanings”, schreibt die Galerie in ihrem Begleittext.

Daneben gibt es viele Familienfotos in einer beziehungsreichen Zusammenstellung, mit denen man gleich am Eingang zur Ausstellung empfangen wird. Das Thema Familie scheint in der indischen Kunst zur Zeit en vogue zu sein wie die Ausstellung zu Dayanita Singh im MMK Frankfurt zeigte, sowie die Ausstellung "Composing my Family Portrait: Crossovers in Space, Time and Cultures" zum Fokus Photography Festival  zur selben Zeit in Mumbai  - vielleicht weil die Entwicklung zur Kleinfamilie, die sich als Modell in der prosperierenden Mittelschicht langsam durchzusetzen scheint, zu nostalgischen Reaktionen gegenüber der traditionellen Großfamilie führt - erst recht bei den Expats.
Samanta Batra Mehta: ”The Crossing”
Verschlungen sind auch die zeichnerischen Arbeiten Mehtas, deren Motive sich in ihren Objekten fortsetzen. Die haarnadeldünnen Striche werden noch durch feine, mit der Maschine genähten Linienbündel überlagert. Der meistens nackte, menschliche Körper, oft als Torso, findet sich verstrickt in einem wirren Kosmos, der diesen nicht einbindet, sondern isoliert. 
Großartig sind die Fotomontagen, die diesen Kosmos aus Nostalgie und Einsamkeit als verwirrende Spiegelwelt in Überlagerungen verschiedener Motive und Perspektiven zeigen. Auch hier sind genähte Ornamente auf die Fotos aufgesetzt. Palastähnlich wie in den Mogulresidenzen in Hyderabad oder Delhi ist das Ambiente in der zweiteiligen Arbeit “A Space in Between“, von denen hier der obere Teil des Diptychons abgebildet ist.
Samanta Batra Mehta:”A Space in Between” (Ausschnitt)
Im zweiten Diptychon “Here I lie in my own separate Skin” taucht mehrfach eine Frauenfigur auf. In einer Gasse von maroder Schönheit steht oder kniet sie halb auf den brüchigen Pflastersteinen. Die Häuser wirken abweisend verschlossen wie die ganze Szenerie. In ihren Nischen lehnt eine schwarzgekleidete, tiefverschleierte Frau, ebenfalls in verfielfältigter Form, die sich von der zentralen Figur in der Mitte des Bildes abwendet.

Samanta Batra Mehta: “Here I lie in my own separate Skin” (Ausschnitt, oberer Teil des Diptychons)
Auch hier hat Mehta wieder kunstvolle Ornamente in die Fotos eingenäht, die stark an die südindischen Kolams erinnern, die oft vor den Hauseingängen mit weißem Farbpulver gestreut werden, um vor bösen Geistern zu schützen – so der ursprüngliche Sinn. Auf dem entblößten Rücken der Frau sind diese in Rot gestickt und wirken wie frisch geritzte Tatoos: Eine gezeichnete Frau, die dem Ort, wo sie herkommt und wohin sie  –  vielleicht nur in ihrer Fantasie – zurückkehrt, dem sie tief entfremdet scheint. Das könnte eine Lesart der melancholischen Bildwelt sein, die viele Bezüge enthält, die einer anderen Kultur angehören, durchtränkt von der multireligiösen Gesellschaft Indiens. Tröstend nimmt sie sich im unteren Teil des Triptychons selbst in den Arm, eine tiefere Einsamkeit ist kaum denkbar.
Samanta Batra Mehta: “Here I lie in my own separate Skin” (Ausschnitt, unterer Teil des Diptychons)
“New-York based Samanta Batra Mehta obliquely alludes to issues of identity, dislocation and migration…“, umschreibt die Galerie die Themen von Mehtas künstlerischem Werk. In den beiden Fotodiptychen wird das besonders deutlich. Denn nicht nur ist man als Migrantin fremd in der Fremde, selbst wenn diese selbstgewählt ist, sondern man entfremdet sich zunehmend auch der eigenen Herkunft oder hat sich dieser bereits wegen Entfremdung durch Migration entzogen. Diese Herkunft als Ort von originärer Identität findet nur noch in romantischer Verklärung statt, als Ort der Erinnerung wie in den Vintageobjekte oder als eine Art Albtraum von Verlassenheit und unerfüllter Sehnsucht.

Alle Fotos aus der Ausstellung von Ina Zeuch

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