Donnerstag, 14. Mai 2015

(2) Kunstszene Mumbai: Judy Blum in der Clarkhouse Initiative

Mumbai brummt: Als Kunstmetropole neben denen von Kalkutta oder Delhi bietet sie neben vielen ambitionierten Ausstellungen auch einige Events, wie das Kala Ghoda Art Festival oder das Fokus Photography Festival. Darüber habe ich  auf diesem und auf dem MediaWatch Blog bereits berichtet. Eine erste Galerieausstellung habe ich noch während ich in Indien war, veröffentlicht. Hier möchte ich 5 weitere Ausstellungen mit ihren Künstlern vorstellen.
Judy Blum: Ohne Titel
“Mashup“ war der Titel der Ausstellung in der Clark House Initiative, die als Retrospektive der amerikanischen Künstlerin Judy Blum angekündigt war und im März 2015 in Mumbai anlief. Ihre Collagen und Zeichnungen entstanden während ihrer Reisen durch Europa in den 1960er Jahren und aktuell in den 2000er Jahren in Indien. In New York traf sie den indischen Drucker Krishna Reddy, ein Teil der ausgestellten Werke sind in intensiver Zusammenarbeit mit ihm entstanden.

Tatsächlich wirken die aktuelleren Arbeiten teils wie Drucke. Die Kompositionen sind grafisch angelegt und arbeiten sehr stark zeichenhaft. Einzelne Symbole von Maßeinheiten werden da scheinbar willkürlich mit nationalen Symbolen zusammengestellt, Reihungen von Samen und ähnlichem und ergeben ein recht subjektiv fragmentarisches ‘Weltbild‘, dem man nicht auf die Spur kommt und es vielleicht auch nicht soll.
Judy Blum: Ohne Titel
Feine ornamentale Zeichnungen, die teils an kostbare Saristoffe erinnern, sind wandfüllend im Parterre der Ausstellung unter dem Titel “Delhi Phone Book“ zu sehen. Tempel und Moscheen in indischen Städten werden in weiteren Blättern als “Indian Geography“ aufgezählt sowie Seen, Buchten und Flüsse. Sie sind ebenfalls sorgsam ornamentiert wie kostbare Buchdrucke und werden in Glasvitrinen präsentiert, was diesen Eindruck noch verstärkt. Die Eindrücke, die Indien hinterlassen hat, verarbeitet Judy Blum hier als pittorekse Aufzählung.
Judy Blum/Reddy: “Delhi Phone Book“
Judy Blum/Reddy: “Delhi Phone Book“
In der ersten Etage werden die früheren Arbeiten Judy Blums gezeigt. Auf schmalen, schwarzen Stoffstreifen hat Blum in weiß wiederum Zeichen und Symbole hinterlassen, die hier viel mit Industrie- und Ingenieurstechnik zu tun haben und auf ein beginnendes wissenschaftliches Weltbild verweisen. “The Big Nightmare“ nennt sie diese Arbeit, und gibt dem Unbehagen gegenüber einer technisierten, vermessenen Welt Ausdruck, was unter Intellektuellen gerne als kritischer Habitus gepflegt wird.
Judy Blum: “The Big Nightmare“ (Ausschnitt)
Judy Blum: “The Big Nightmare“ (Detailansicht)
Ihren privaten Kosmos entfaltet sie in “Memoria”, gefakte Dokumente von Reisepässen, Collagen aus Kinderbüchern und ähnlichem, die man gerne anschaut, weil sie so viel Vergangenheits-Aura entfalten. Aber am Ende der Ausstellung fragt man sich doch, was das alles soll oder wie man über diese eklektischen Aufzählungen und fragmentarisch benutzten Dokumenten zu einem Bild  kommen kann, das Sinn ergibt. Oder wenn nicht dafür, wofür dann wäre das alles gut? Wie präzise - und das heißt weniger selbstverliebt und systematischer – müssten solche Versuche der Beschreibung des Phänomens Memoria sein, um darüber zu einem sinngebenden Zusammenhang zu kommen, mindestens aber zu einer Art weiterführendem Resultat.
Judy Blum: “Memoria“ (Detailansicht)
Judy Blum: “Memoria“
Darum scheint es der Künstlerin aber wohl nicht zu gehen, vielmehr um das Verrätseln und Ornamentieren von Fragmenten, vermeintlich dokumentarischem Materials und wissenschaftlichen Verweisen, diennicht ernst gemeint sind und ins Leere führen. Kunst wird hier als die Möglichkeit des ganz anderen, subjektiven, irrationalem Weltbild genutzt, das sich nicht verpflichtet, Sinn zu schaffen. Assoziativ und intuitiv sind die gerne dafür gewählten Adjektive, die der sensiblen Künstlernatur ohnehin zugeschrieben werden. Beeindruckend aber ist der ästhetische Reiz, den Judy Blum dem Material teils buchstäblich einschreibt.

Judy Blum: “Spam”
Inhaltlich bleibt dabei alles im Ungefähren: Zusammenhänge, die man sucht, dann aber doch nicht hergestellt werden. Denn das Herstellen von Sinn ist bei weitem schwieriger als eine Reihe von Unklarheiten auszuschütten. Deswegen wirkt hier nach dem ersten Rausch des Ästhetischen vieles als selbstgefällige Attitüde.
Überraschend spröde und ganz frei von den genannten Attitüden ist die Arbeit ohne Titel, die in einem Raum zusammen mit “The Big Nighthmare“ präsentiert wird. Es sind die wie verkrustete Schimmelpilze wirkenden plastischen Reliefs, die sich in ungeordneter Formation am Boden und die Wände herauf entlangziehen und die man erst einmal in dem etwas maroden Ambiente und dem feuchtem Raumklima fast für echt hält.
Judy Blum: ohne Titel
Bei näherem Hinsehen sehen sie wie Landschaften aus großer Höhe aus: Sumpfartige, mangrovenähnliche Vegetationen und teils überwucherte, nur noch rudimentär erkennbare Zivilisationen. Sie haben nichts von Naturromantik und lassen das Pittoreske weit hinter sich. Allein dafür hat sich die Ausstellung gelohnt.  
Judy Blum: ohne Titel (Detailansicht)

Alle Fotos aus der Ausstellung von Ina Zeuch


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