"GRÖSSERSCHNELLERBESSERMEHR" - so der Titel der Ausstellung im
Forum Kunst in Rottweil mit Bildern von
Rupprecht von Kaufmann: Ein ungewöhnlicher Titel für eine ungewöhnliche Inszenierung von Malerei, die passgenau für die Räume des Forum Kunst konzipiert wurde. Die Bildträger sind in ovalen, konkaven und anderen Formen aus Linoleum geschnitten und täuschen dem Auge gebogene Flächen vor, die sich von der weißen Wand abzuheben scheinen. Das neonartige Licht, mit dem sie teilweise hinterleuchtet sind, verstärkt den plastischen Effekt der Bilder zusätzlich.
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aus der Ausstellung von Rupprecht von Kaufmann |
Während die direkt auf die Wände gemalten, leicht hingeworfenen Linien Versatzstücke von Architekturen assoziieren, die die Räumlichkeit des Forum Kunst miteinbindet, entfaltet sich in den Malereien eine düstere Welt, die auch farblich im Kontrast zur hellen Klarheit ihrer Umgebung stehen. Aber beide Welten haben nichts Anheimelndes. Es ist, als sollte man sich weder in der rational fassbaren und schon gar nicht in der albtraumhaften Welt der Bilder heimisch fühlen.
Da hängen gelbe Säcke auf die schuftende, unkenntliche Gestalt herunter, die sich in einem klaustrophobischen Rondell befindet und irgendwas gräbt. Ein Klavier im folgenden Bild dampft und qualmt, scheint sich aufzulösen und in der Szene im Mittelteil des Triptychons wird neben einem porösen weißen Fleck etwas Schwarzes ausgeschüttet.
Lange Gummihandschuhe hängen an der Wand - die Atmosphäre eines Werkraums, vielleicht einem Maleratelier - entfaltet sich grauschlierend mit Pinseln und einem kleinen Porträtbild in zermatschtem Goldrahmen, dominiert von einer an ein Surfbrett erinnernde Form, die den ganzen Mittelteil des Bildes halbiert - im rechten Flügel dagegen freies Ornament, offensichtlich reines Malvergnügen, das sich dem Rest des Bildes inhaltlich nicht verpflichtet fühlt, aber den angedeuteten Raum im Bild teils fortführt, teils aufhebt.
Sich in diesen Bildern zurecht zu finden ist müßig und wohl auch nicht beabsichtigt. Aber dafür gibt es ja die hellen Architekturmalereien an der Wand, in die man sich flüchten kann: Kalt, aber hell - langweilig, aber übersichtlich. Schön gruselig ist da die malerische Gegenwelt, wie Standbilder aus Thrillern oder Splatterfilmen, dazu an Sprechblasen aus dem Comic erinnernde runde Bildtafeln, die über den großformatigen Bilderen hängen wie erläuternde Kommentare, die nichts erhellen.
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Blick in die Ausstellung von R.v.Kaufmann |
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Linolschnitt von R.v.Kaufmann |
Kunst hat das Privileg zu verstören, unverständlich zu bleiben und daher auf eine Welt zu verweisen, die jenseits des Sprachlichen liegt und auch ästhethisch häßlich sein darf, wie es die Malerei seit der Bewegung der
jungen Wilden in den 80er Jahren der Malerei aufs Genüsslichste zelebriert hat. Wem es gutgeht, darf schwelgen im Verunsichernden und höllenhaft Surrealen. Nur der Kleinbürger mag es schön und heimelig. Zudem gibt die durchrationalisierte Realität, die ein Teil unseres Wohlstandes ausmacht, in der alles Zufällige und Unvorhergesehene möglichst verbannt sein soll, keine Dramatik, keine fulminante Folie für Malerei her. Sie ist der Preis für ein von uns allen gewünschtes bequemes Leben, das die physischen Anstrengungen früherer Zeiten weit hinter sich lässt. Von einem Zeitgenossen eines
Hironymos Bosch aus gesehen, an den Kaufmanns Bildwelten teilweise erinnern, wäre unser heutiges Leben ein paradiesisches Schlaraffenland.
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Detailansicht aus einem Bild von R.v.Kaufmann |
Bosch's Ikonographie speist sich aus der drastischen Volkskunst derber Sprichwörter und Sprachbilder kombiniert mit christlicher Höllenvorstellung und utopischen Menschheitsträumen wie dem Jungbrunnen, dem Weltgericht als Jüngstes Gericht oder dem Nürnberger Trichter. Sie ist teils verschlüsselte, teils offene Gesellschaftskritik, was in der Malerei von Kaufmann nicht wirklich vorkommt - eher ist es die Unterwelt unseres Unbewussten als diffuses Unbehagen und jedermanns eigene, individuelle Hölle.
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Detailansicht |
Hell und licht und irgendwie verheißungsvoll ist die plastische Menschengestalt, die aus Pergamin fragil zusammengefügt und teilweise bemalt ist. Sie schwebt von der Empore in den Raum hinein und erinnert auch ohne Flügel an die mythische Gestalt des Ikarus. Aber der Fuß dieser luftigen Gestalt klebt noch an einer gezackten Scheibe, die an der Wand hängt. So kann dieses Luftwesen auch nicht stürzen, ist damit aber auch nicht wirklich frei: Ein ambivalentes Bild für den Wunsch nach schwereloser Freiheit und ein erhebender Abschluss der Ausstellung. Hier lässt sich auch der Titel "GRÖSSERSCHNELLERBESSERMEHR" am ehesten verorten, die noch bis 3. Januar 2016 im Forum Kunst in Rottweil zu sehen ist.
Alle Fotos aus der Ausstellung mit freundlicher Genehmigung des Forum Kunst Rottweil von Ina Zeuch
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