Die Bundeskunsthalle in Bonn zeigt noch bis 12. März eine sehenswerte Ausstellung von und über Menschen mit
Down-Syndrom. Früher hießen sie Mongoloide wegen ihrer asiatisch anmutenden Augen mit
Schlupflidern. Und noch viel früher waren sie in einigen Kleinstädten
und Dörfern als sogenannte 'Dorftrottel' in der Öffentlichkeit präsent.
Als Kind kam ich fast täglich an einem solchen Wesen vorbei, einem Mann vermutlich Mitte vierzig. Immer neckte er uns Kinder und erzählte uns, ein großer schwarzer Bär würde unter seinem Bett wohnen. Ich war die einzige aus unserer Gruppe, die- neugierig genug - eines Tages mit ihm auf sein Zimmer ging und mit ihn zusammen darauf wartete, dass der Bär sich zeigen würde.
In unserem ganztägigen Kinderhort gab es ebenfalls einen Jungen mit Down Syndrom. Er spaltete uns in zwei Lager: Die einen hatten Mitleid mit ihm, banden ihm die Schuhe zu und beschützten ihn vor dem anderen Lager, das ihn hänselte, ihm derbe Streiche spielte und ihn sogar schlugen.
Wer solche Begegnungen kennt, dem werden fast automatisch ähnliche Erinnerungen beim Betreten dieser Ausstellung hochkommen. Die Vielzahl der Fotos von Menschen mit Down Syndrom, heutige und Schwarz-Weiß-Aufnahmen aus dem vorletzten Jahrhundert sowie die vielen Audios mit ihren Stimmen lassen einem diese Menschen erstaunlich naherücken. Aber inzwischen sind Menschen mit Down-Syndrom die einzigen mit einem genetischen Geburtsfehler, die es über die Wahrnehmungsschwelle von uns ‘Normalos’ geschafft haben, zumindest in der aufgeklärteren Bevölkerung und aus diesen rekrutiert sich vermutlich auch die Mehrzahl der Ausstellungsbesucher.
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Markus Keuler: "Otto", 2012 |
Also angekommen im Mainstream – das heißt konsequenterweise auch, dass diese Schau – wie es bereits der Untertitel ankündigt - nicht nur über Menschen mit Down-Syndrom verhandelt, sondern auch von ihnen selbst mitgestaltet wurde. Das ist neu und würde man sich auch für einige andere Betroffenengruppen wünschen, wie Ausstellungen über indigene Urbevölkerungen oder über die Diaspora der Afro-Amerikaner. Jedenfalls könnte “Touch-Down“ als Vorlage für den Umgang dienen, wie man über Minderheiten - egal welcher Art – in Wort und Bild berichten sollte.
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Dr.med Henning Weiß: Ultraschallaufnahmen |
Sowohl das medizinische Krankheitsbild als auch die subjektive Erfahrung der Betroffenen selbst sind hier in Filmen, Audios und künstlerischen Werken zu sehen. Vor allem die bildnerischen Werke von Menschen mit Down Syndrom sind bemerkenswert und können gestandene Künstler erblassen lassen.
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Pascal Leyder: Ohne Titel (Landkarte), 2013 |
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Pascal Leyder: Ohne Titel ( Landkarte) |
Die im besten Sinne naive, ausgesprochen kompositionssicheren Malereien und Zeichnungen faszinieren durch ihre unverbildete Auffassung. Sie entstanden ohne künstlerische Vor- und Verbildung, indem sie einfach das Gemeinte konsequent und unverblümt ins Bild setzten. Damit sind sie dem ewigen Kitsch so vieler Hobbykünstler entronnen, die sich so sehr darin abmühen, moderne Kunst zu sein und oft auf naturalistische Perfektion abzielen.
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Zeichnung von Marie Bodson: Ohne Titel - aus einer Serie von vier Zeichnungen / Ausschnitt |
Mit "Bildnerei der Geisteskranken" hat der Heidelberger
Psychiater Hans Prinzhorn bereits Maßstäbe mit einer Sammlung gesetzt, die uns erstmalig das uns so tief verschlossene Innenleben von Psychiatrieinsassen nahe brachte, in denen auch die Abgründe des Weggesperrtseins zum Ausdruck kommen.
Durch diese Schau bekommt man den Eindruck, dass es sich hier um eine - vielleicht noch nicht abgeschlossene, aber gelungene - gesellschaftliche Anerkennung von Menschen mit Down-Syndrom handelt.
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Fotos: Martin Langhorst von Johanna von Schönfeld und Daniel Rauers in der Ohrenkuss –Ausgabe "Superkräfte", 2013 |
Sie sind uns derzeit die liebsten ‘geistig Behinderten‘ wegen ihrer sozialen Fähigkeit der Kontaktaufnahme, ihrem freundlichen Wesen. Nicht Wenige behaupten sogar, sie seien glückliche Menschen, weil sie so viel lächelten. Das dürfte eher eine naive Sicht auf diese Menschen sein, die genauso unglücklich, schlechtgelaunt und aggressiv wie wir sein können und uns also auch darin naherücken, wenngleich immer noch die Tendenz besteht, sie lieber zu verniedlichen.
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"Chromosomenteppich", 2016 |
Jede gelungene Emanzipation, in der sich Minderheiten zur gesellschaftlichen Augenhöhe hochgekämpft haben, zieht aber gleichzeitig eine Trennlinie zu denjenigen, die es noch nicht geschafft haben - und die möglicherweise noch lange auf ihre öffentliche Wahrnehmung warten müssen. Denn der Mainstream hält das Problem der Ausgrenzung von Andersartigen nun - bequem, wie er eben ist – als auf unbestimmte Zeit für erledigt. Denn man hat ja seine Toleranz bereits zur Genüge bewiesen. So werden die Menschen mit Down-Syndrom ungewollt zur Alibigruppe, die nun als Platzhalter für alle anderen Betroffenen fungiert. Das ist zweifelsohne nicht die Absicht und schon gar nicht die Schuld unserer neuen 'Ethnie' im Boot der Menschheit. Schön, dass sie es geschafft haben und hoffen wir, dass es die anderen auch noch schaffen werden.
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Pascal Leyder: Ohne Titel (Geburt), 2012 |
Alle Fotos aus der Ausstellung von Ina Zeuch
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