Samstag, 13. Mai 2017

Palästina - Reiseberichte aus einem besetzten Land (2)


Von Februar bis April war ich für als ökumenische Begleiterin für EAPPI in Palästina und Israel. Ich habe dort die Bedingungen der israelischen Besatzung für die palästinensische Bevölkerung hautnah kennengelernt und israelische und palästinensische Initiativen für einen gerechten Frieden unterstützt.

Ina Zeuch: "Wo liegt eigentlich Palästina?", Zeichnung, 278 x 206,5 cm

Immer wieder Freitags: Das Memorial in Birin

Jeden Freitag bei Sonnenaufgang kommen Siedler aus der nahegelegenen Siedlung Pnei Hever zum Memorial. Es wurde zum Gedenken an drei versehentlich von den IDF (Israeli Defense Forces) erschossenen Siedler errichtet, weil sie beim Graben in einer Höhle für palästinensische Terroristen gehalten wurden. 

Das von jüdischen Siedlern errichtete Memorial in Birin
Die beiden jungen Männer waren mit der Bewachung eines Siedlungsaußenpostens beauftragt worden. Die Soldaten hielten sie für palästinensische Terroristen und erschosen sie. Zu dieser Zeit war die zweite Intifada in vollem Gange. Sie dauerte bis Ende 2005 und war durch den Besuch des damaligen Premierministers Ariel Sharon auf dem Tempelberg ausgelöst worden. Die Armee war zu dieser Zeit ständig in Alarmbereitschaft auf der Suche nach bewaffneten Aufständischen. Noch 2003 entstand eine kleine Gedenkstätte für die beiden versehentlich Getöteten, im Militärjargon als als 'friendly fire' bezeichnet. Diese Gedenkstätte befindet sich in der Nähe des Tatorts, die nach und nach  auf palästinsischem Gebiet ausgebaut wurde. 

UNOCHA map
Heute ist das Memorial mit zwei israelischen Fahnen beflaggt, an der wöchentlich eine Zeremonie stattfindet, wodurch sie  nach und nach zu einem zionistischem Denkmal wurde. Immer wieder freitags vor Sonnenaufgang kommen dazu Siedler zu dem Hügel hochgefahren. Die Zeremonie wird jedes Mal von mindestens einem, oft auch zwei Armeejeeps bewacht. Leute aus Birin berichteten uns, dass Siedler sich mit ihren Familien und Freunden auch an manchen jüdischen Feiertagen unter einem Baum mitten im ihrem Dorf treffen und dann gemeinsam zur Gedenkstätte hochziehen. 
Noch vor Sonnenaufgang kommen Siedler zu dem Hügel hochgefahren und da wollen auch wir natürlich nicht fehlen. Deshalb stehen wir ebenfalls um 5.00 Uhr auf und fahren nach Birin. Wir halten uns gegenüber des Memorials bei der Familie von Abu und Umm Nasser’s Haus auf.
Das Haus der Familie Nasser, im Hintergrund das Birin Memorial
Sie wurden immer wieder von den Siedlern des Memorials belästigt, zudem wurde ein Teil ihrer Olivenbäume für den Rundbau abgeholzt. Sie befürchten, dass das Denkmal nach und nach zu einem der berüchtigten Außenposten werden könnte, die von besonders religiös-fundamentalistischen Siedlern besetzt werden. 
Wir genießen den wunderschönen Sonnenaufgang, der einen sonnigen, klaren Tag zu werden verspricht und beobachten, wie nach und nach insgesamt vier von unserer Perspektive aus sichtbaren Autos langsam den Hügel hochfahren. Alles bleibt während unserer Besuche friedlich, aber wir zeigen uns von allen Seiten und machen auf unsere Präsenz aufmerksam.
Der Rundbau des Memorials 
Gegen sieben Uhr sehen wir zwei Siedler, die ebenfalls Fotos von uns machen, einer von ihnen hat eine so große Waffe, dass wir sie schon aus dieser Entfernung sehen können. Da ist es wieder, dieses ungute Gefühl, dass ich so jemandem nicht direkt in hitziger Diskussion gegenüber stehen möchte. Ich bin froh um jeden Meter, der zwischen uns liegt.
Zehn Minuten später steigen sie in das letzte Auto, das wir von hier aus sehen können und fahren weg. Auch wir fahren eine Weile später. Unser Fahrer, der uns wieder abholt, ist erstaunt, dass sich die ganze Zeit kein Militär gezeigt hat, das normalerweise sonst immer anwesend ist. Abu und Umm Nasser versichern uns, uns auf jeden Fall anzurufen, falls doch noch was passiert und jemand von den Siedlern  zurückkommen sollte, um genau den Zeitpunkt abzupassen, wo wir nicht mehr da sind.

Das Tal zur anderen Seite des Memorials

 

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