Unter dem Titel "VIDEONALE.17 - REFRACTED REALITIES" lief die 17. Videonale im Bonner Kunstmuseum an und ist noch bis 14. April zu sehen. Sie greift damit das allgegenwärtige Thema der Medialisierung unserer Alltagswelt auf, je nachdem, in welchem Ausmaß wir sie zulassen oder uns überhaupt noch gegen sie entscheiden können.
Umso mehr fallen daher Arbeiten auf, die tatsächlich noch eine Geschichte erzählen, in unspektakulären und langsamen Bildern, mit überschaubaren Protagonisten und es tut der Ausstellung gut, dass sie auch solche Beiträge in die Ausstellung aufgenommen hat. Hier zwei Beispiele:
Ein Statement zu dieser Arbeit findet sich auf ihrer Webseite:
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Ähnlich wie der Einzug des Fernsehens in den Mainstream - hier in einer Arbeit des Pioniers von Nam June Paik - als neuer Bildlieferant in der Kunst der 1970er Jahre reflektiert wurde und sich daran abgearbeitet hat, so kann die zeitgenössische Kunst - schon gar nicht die Videokunst - die Medialisierung der heutigen Zeit ignorieren. Eindrücke aktueller Videokunst zu diesem Thema zeigt die 17.Videonale in 29 Beiträgen.
Erwartbar sind daher die Werke, die youtube-Fetzen, Werbespots, Doku-TVs und Computerprogramme zur Effizienz und Kontrolle unserer Lebenswelten aufgreifen. So hat auch Sohrab Hura mit einer ebensolchen Arbeit den Videonale Preis 2019 gewonnen. In seiner Arbeit "The lost Head and the Bird" komponiert er im split screen youtube-Fetzen, Bilder aus B-Movies des indischen Fernsehens u.ä. Material, aus der sich schwerlich eine Geschichte generieren lässt, auch wenn Titel und Text zu seiner Arbeit das vorzugeben scheinen und macht somit dem Thema der Videonale von einer vielfach gebrochenen, nicht mehr lesbaren Bruchstückrealität alle Ehre.
Videostill aus "The lost Head and the Bird" von Sohrab Hura |
Maryam Tafakory, iranische Künstlerin in London lebend, zeigt in ihrer Arbeit "Absent wound" in poetischen Bildausschnitten die heftigen Körperübungen von iranischen Männern, die teils rituell an Sufitänze erinnern, teils reine Kraftübungen sind.
Die Gemeinschaft dieser Männer in folkloristisch anmutenden, prächtigen Kostümen steht im Kontrast zur nur durch Summen und monologischen Äußerungen und Rezitationen anwesenden jungen Frau, die sich in den leeren Räumen einer Halle aufhält- möglicherweise derselben Halle, in der die Männer trainieren. Sie ist allein mit alltäglichen Dingen beschäftigt: Tee für andere zu kochen, den Wasserhahn abzudrehen, in vermutlich religiösen Büchern zu lesen, während die Ekstase, das Leben für die Männer reserviert zu sein scheint und nebenan und doch durch Welten voneinander getrennt stattfindet.
In diesen leeren Räumen in einer der aufgereihten Duschkabinen sieht man ihre nackten Füße, an denen das Blut ihrer ersten Menstruation herunterinnt - ein Bild tiefer Einsamkeit, die kaum gegensätzlicher zur Körperlichkeit der trainierenden Männer stehen könnte.
Die Gemeinschaft dieser Männer in folkloristisch anmutenden, prächtigen Kostümen steht im Kontrast zur nur durch Summen und monologischen Äußerungen und Rezitationen anwesenden jungen Frau, die sich in den leeren Räumen einer Halle aufhält- möglicherweise derselben Halle, in der die Männer trainieren. Sie ist allein mit alltäglichen Dingen beschäftigt: Tee für andere zu kochen, den Wasserhahn abzudrehen, in vermutlich religiösen Büchern zu lesen, während die Ekstase, das Leben für die Männer reserviert zu sein scheint und nebenan und doch durch Welten voneinander getrennt stattfindet.
In diesen leeren Räumen in einer der aufgereihten Duschkabinen sieht man ihre nackten Füße, an denen das Blut ihrer ersten Menstruation herunterinnt - ein Bild tiefer Einsamkeit, die kaum gegensätzlicher zur Körperlichkeit der trainierenden Männer stehen könnte.
Vidostill aus "Absent wound" von Maryam Tafakory |
Videostill aus "Absent wound" von Maryam Tafakory |
Making a stage from two public spaces in Iran which women are prohibited from entering, Maryam Tafakory’s depiction of men and women coming of age draws parallels while commenting on this separation of the genders.
Die zweite Videoarbeit "I signed the Petition" vom dänisch-palästinensischen Filmemacher Mahdi Fleifel beschreibt den Diaolog zwischen zwei Freunden. Beide Protagonisten sind aus Palästina und zumindest der Anrufer des Telefonats lebt inzwischen im Westen. Die Bilder sind anfangs meistens Standbilder, die den Laptop des Anrufers und einige Ansichten seines Appartements zeigen, von dem aus er über Skype mit seinen Freund telefoniert. So unspektakulär diese Bilder zunächst sind - erst denkt man, ein Audio dieses Gesprächs würde völlig ausreichen - so sehr bildet sie nach und nach eine Atmosphäre ab, die sich langsam beim Betrachten aubreitet, wenn man die Geduld aufbringt, dieses Video bis zu Ende anzusehen.
Der Anrufer hat eine Petition zum kulturellen Boykott Israels unterzeichnet und scheint diesen Schritt nun zu bereuen. Der Boykottaufruf bezieht sich überwiegend auf israelische Waren aus den besetzten Gebieten, wo 650.000 israelische Siedler im Westjordanland ertragreiche Farmen betreiben und ihre Produkte exportieren.
Videostill aus " I singned the Petition" von Mahdi Fleifel |
Er bezieht aber auch kulturelle Veranstaltungen mit ein, bei der Künstler dazu aufgefordert werden, nicht in Israel aufzutreten, weil der Staat Israel mit seiner über 50-jährigen Besatzung des Westjordanlandes gegen internationales Recht verstößt.
Der Anrufer befürchtet nun die Konsequenzen seiner Unterschrift. Wird er je wieder in sein Heimatland reisen können? Für die Einreise muss er die israelische Grenze passieren, einen direkten Zugang zum Westjordanland und Gaza gibt es nicht. Werden sie ihm bei der ohnehin schwierigen Einreise als Palästinenser nicht durchleuchten und darauf kommen, dass er die Petition unterschrieben hat und ihm die Einreise verweigern? Wird er je wieder seine Familie, seine Freunde besuchen können?
Videostill aus "I signed the Petition" von Mahdi Fleifel |
In geduldigen Gedankenschritten analysiert sein Freund die Unterschrift dieser Petition - die Bilder gehen über in Schwarz-Weiß Fotos von Flüchtlingcamps, von der Vertreibung der Palästinenser 1948, die als Nakba, das arabische Wort für Katastrophe, in die palästinesische Geschichte eingegangen ist. Das Resultat dieser Analyse ist niederschmetternd.
Als Palästinenser, so sein Freund gegen Ende dieser Unterhaltung, ist er ein 'global loser' - egal welche Petiton er unterschreibt, egal, mit welchen Mitteln er auch immer auf die Sitution seiner Landsleute aufmerksam machen will. Um ihn wo auch immer festzuhalten und an welcher Grenze auch immer die Einreise zu verweigern - dazu braucht es keine Unterschrift einer Petition. Es sei eine Illusion, zu glauben, er könne auf Augenhöhe an einem Boykott teilnehmen und als gleichberechtigte Stimme ernst genommen und gehört werden.
Videostill aus "I signed the Petition" von Mahdi Fleifel |
"You are absolutely powerless. You are a loser in the global system. You are a loser in the global game", sagt ihm sein Freund als abschließendes Resumé.
Mahdi Fleifel in einem Interview über seine Arbeit:
I’ve always seen myself as someone who zooms very tightly in on the human condition. All you see on the news are numbers, statistics, all the rhetoric of fear with which we’re hammered daily. “Hundreds have drowned off the coast of Lampedusa,” “Thousands have crossed the borders” of this country or that country, and so on. But who are these people? That’s the story I want to know about and tell.
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