Dienstag, 12. Juli 2022

Achtung Farbe! Eine Ausstellung in der Bundeskunsthalle Bonn

"Farbe ist Programm" nennt die Bundeskunsthalle ihre Ausstellung, die erwartungsgemäß hauptsächlich Malerei zeigt und bis 8. August zu sehen war.

Hito Steyerl: "Red Alert"

                                                    

Richtig Lust auf Farbe bekommt man da und dann das: Gleich am Eingang wird man von dem skulpturalen Stillleben des Künstlers Hans Op de Beeck empfangen, der einem vor Augen führt, dass man das Thema Farbe auch durch schmerzliche Abwesenheit von Farbe angehen kann. In tödlichem Grau entfalten sich in riesenhafter Größe Früchte, Weinkelch und eitel Tand in Form von Schmuck und dem unvermeidlichen Totenschädel als Hinweis auf Vergänglichkeit und nutzlosem Festhalten an Sinneslust und Reichtum. 
 

Hans Op de Beeck: "Vanitas XL"
                                                         
"Vanitas XL" ist der überraschende, aber gelungene Auftakt der Schau, die diese unbunte, aber beredte Stille auch in einigen anderen Kunstwerken thematisiert. So bringt Gerhard Richters Bild "Grau" das Scheitern einer ursprünglich geplanten Komposition zum Ausdruck - ein frustriertes Übermalen bis hin zu einem grauen Matsch, der alles überdeckt. Das als künstlerische Aussage stehen zu lassen ist nicht nur ehrlich, es verweist auch auf einen Aspekt von monochromer Malerei - hinter der Einfarbigkeit verbirgt sich unsichtbar eine übermalte Version des Bildes, möglicherweise eine farbige Welt, die in einigen Farbresten weiter mitschwingt. 

Gerhard Richter: "Grau"

Monochrome Malerei verweigert sich deshalb oft einer eindeutigen Message – erspüren was nicht sichtbar ist hinter dem Sichtbaren ist eine Aufforderung für genaues Betrachten und eine Absage an rein subjektives Assoziieren. Eine andere Variante der monochromen Malerei ist die radikale Einfarbigkeit wie in der ersten Abbildung "Red Alert" von Hito Steyerl (s.o.) zu sehen, die einerseits intensiv farbige Nachbilder erzeugt wie bei dem in die Sonne schauen, die aber  - wie der Titel andeutet – eine Signalwirkung entfaltet und auch so eingesetzt wird. 

Auch die Leuchtkästen von Angela Bulloch sind monochrom. Die jeweils wechselnden Farben lassen die einfache Holzbox links von den beiden Farbfeldern durch den Farbwechsel manchmal dunkler oder heller wirken. Teils nimmt sie scheinbar sogar eine andere Farbe an. Die matten Lichtreflexe auf dem glatten Boden der Ausstellungshalle erhöhen die sinnliche Wirkung der Arbeit. 

Angela Bulloch "Chain A 2:1:12: 3"

Der politische Kontext der Malerei von Thu Van Tran "Colours of Grey" erschließt sich hier nur durch den beigefügten Text, der sich auf die tödlichen, farbauslöschenden Herbizide "Agent Orange" bezieht, die im Vietnamkrieg der US Army  zum Einsatz kamen und zur Zerstörung von Wäldern und Nutzpflanzen führte. Sie  sollten die Bevölkerung aushungern und  Verstecke und Unterschlüpfe unmöglich machen. Das Grau ist hier ein Auslöschen und das Orange ein Hinweis auf die tödliche Wirkung des Gifts.

        Thu Van Tran: "Colors of Grey"
                                                
 

Ebenso monochrom ist die beeindruckende Rauminstallation als radikale Malerei von Carsten Fock. In dem immer selben Lilaton hat er in einem Strichmuster alle Wände bemalt und in diese enervierende Farbigkeit magische 7 Tafeln in reinem Gold aufgehängt. Mehr Symbolträchtigkeit geht kaum, Ultramarinlila als spirituelle Farbe mit Sogwirkung zusammen mit dem immer gleichen Muster als kontemplatives Element, dazu sieben goldene Tafeln, die wie Fenster als Ausblick in eine andere Dimension wirken. Der Titel "Every Day is a Day (of Rebellion)" erschließt sich wohl nur intuitiv wenn überhaupt.

 

Carsten Fock: "Every Day is a Day (of Rebellion)"

Eine besondere, weil durch die Ausstellungszeit sich verwandelnde Arbeit sind die beiden Tafeln von Rozbeh Asmani. Seine "Colormarks Billboards" werden alle zwei Wochen während der Ausstellung immer wieder mit weiteren 'Colormarks' von Firmen wie dem 'Telecom-Magenta', dem 'Milka-Lila' oder dem 'Nivea-Blau' übermalt.

Rozbeh Asmani: "Colormarks Billboards"

Auch in politischer Hinsicht werden Farben vereinnahmt: Rot, Grün, Schwarz und Gelb für die politischen Parteien in Deutschland, die beim Einsatz für Wahlstatistiken verwendet werden, wie K.P.Bremer aufzeigt. So auch die Regenbogenflagge im Foto von Gilbert Baker - eine kilometerlange Flagge des Künstlers, die in New York erstmals bei einer Demonstration 1994 zum Einsatz kam und heute für die LGBTQ- Bewegung steht. 
 

Gilbert Baker: "Rainbow Flag"

                                                       

K.P.Brehmer : "Visualisierung politischer Tendenzen in Deutschland"

Strikt nach den Farbtafeln von Runge, Küpperts, Goethe und Runge/Itten sowie den Industriebezeichnungen von Farben RGCMYK komponiert Antje Majewski ein Foto mit dem Titel "Tanz RGCMYK, Runge/Itten, Küpperts, Goethe, Runge". Diese konkrete Anwendung mit den beigefügten Farbkreisen der Pioniere von Farbanalysen fasziniert und verdeutlicht, wie Farbe künstlerisch zum Einsatz kommen kann. 

 

Antje Majewski: "Tanz RGCMYK, Runge/Itten, Küpperts, Goethe, Runge"

Einfach nur poetisch schön sind die ganz anderen Arbeiten von Helen Frankenthaler, der großen Künstlerin des abstrakten Expressionismus. Während ihre Titel etwas Konkretes meinen, ist ihre Malerei abstrakt, eher Stimmungsbildern gleich, die den Betrachter:innen viel Raum für Assoziationen lassen. 

 

Helen Frankenthaler: "When the Snow Melts"

Helen Frankenthaler: " Zarathurstra"

Die raumfüllende Lichtinstallation von La Monte Young, Marian Zazelela und Jung Hee Choi "Dream House - Sound and Light Environment" versetzt einen gleich ganzkörperlich in eine Woge von Magenta-Lila bis Blautönen, die trotzdem nichts Meditatives an sich hat, sondern eher auf Überwältigung setzt. 

 

La Monte Young, Marian Zazelela und Jung Hee Choi: "Dream House Sound and Light Environment"

Richtig fröhlich, bunt und sinnenfroh ist die Kombination aus klassischer Musik und animiert abstrakten Farbbildern, die Oskar Fischinger "An Optical Poem" nennt und beim Publikum am meisten Anklang findet. So machen die Grundformen Kreis, Dreieck, Quadrat und ihre Abwandlungen, die bei konstruktiver Kunst manchmal so öde wie Grammatikformeln wirken können, richtig Spaß. Gleichzeitig wird deutlich, dass unser Gehirn gar nicht anders kann als konkrete Assoziationen aus Sinnenerfahrungen zu entwickeln, zusätzlich getriggert durch die bewegten Bilder.

Ausschnitte aus Oskar Fischinger Filmanimation: "An Optical Poem"
 
             

Aber das absolute Alpha und Omega ist die Arbeit mit dem größten Farbkontrast, den die Kunst zu bieten hat, dem radikalen Schwarz-Weiß-Kontrast. In einem abgedunkelten Raum, der einen geradezu in seine Schwärze hineinzieht, steht ein überdimensionierter Kunstblumenstrauß grell angeleuchtet und bringt dadurch ein geradezu überirdisches Weiß hervor - Sinnlichkeit, die wie in der Werbung künstlich überhöht eine falsche und doch verführerische Transzendenz erschafft. 

 

 

Willem de Rooi: "Bouquet IX"


Alle Fotos aus der Ausstellung von Ina Zeuch



Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen